von Herausgeber Frank-B. Werner

Roland Tichy, bis ins vergangene Jahr Chefredakteur der Wirtschaftswoche, gebührt das Verdienst, ein Bonmot seines Vorgängers im Amt des Vorstandsvorsitzenden der Ludwig-Erhard-Stiftung, Hans D. Barbier, in Erinnerung gerufen zu haben: "Was wirtschaftlich falsch ist, kann politisch nicht richtig sein." Man wünschte sich, die Staats- und Regierungschefs der Eurozone würden diesen Leitsatz berücksichtigen. Die Ergebnisse der langen Nacht von Brüssel jedenfalls sind wieder einmal eine rein politische Entscheidung. Solche Entscheidungen sind indes für den Euro und die EU viel gefährlicher als das griechische Drama. Die angesichts des überall fehlenden Reformwillens verbreitete Neigung, die Lösung von Problemen wie mangelnde Wettbewerbsfähigkeit oder demografische Entwicklung durch immer neue Schulden zu vertagen, führt am Ende zur selbst verschuldeten Handlungsunfähigkeit.

Das Pew Research Center in Washington veröffentlichte in der vergangenen Woche einige hoffnungsvolle Daten. Der Anteil der Menschen, die dem globalen Mittelstand zugerechnet werden - also über einen täglichen Verdienst verfügen, der einer Kaufkraft von zehn bis 20 Dollar entspricht -, ist im vergangenen Jahrzehnt von sieben auf 13 Prozent gestiegen. Vielleicht noch wichtiger: Die Zahl der Armen - Tagesverdienst unter zwei Dollar - ist in der gleichen Zeit von 29 auf 15 Prozent gefallen. Am dynamischsten fällt die Entwicklung übrigens in Ländern aus, die wie China ihre Wirtschaftsordnung liberalisiert haben. Gibt es ein besseres Argument für die Marktwirtschaft?

In China ist es Großaktionären seit der vergangenen Woche verboten, ihre Firmenanteile für eine Dauer von sechs Monaten zu verkaufen. Die Hälfte aller Aktien ist vom Handel ausgesetzt, die Notenbank hat den Leitzins gesenkt. Um ein Drittel sind die Kurse in knapp einem Monat zurückgegangen, gleichwohl ist Panik nicht angebracht. Da wird nur eine Übertreibung korrigiert; die Notierungen liegen noch immer über denen vom Jahresbeginn.