von Herausgeber Frank-B. Werner

Zum Scheitern der Sondierungsverhandlungen kann man zuallererst den berühmten Ausspruch Willy Brandts nach dem Fall der Berliner Mauer variieren: "Es kann nicht zusammenwachsen, was nicht zusammengehört." Das einzige Ärgernis ist, dass man sich für diese Erkenntnis so lange Zeit gelassen hat. Das Jamaika-Bündnis wäre eine noch größere Koalition als die Große Koalition aus SPD und Union geworden, merkte zu Recht Jasper von Altenbockum in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" an. Und diese hätte wahrscheinlich noch lähmender auf das Land gewirkt als die bisherige Regierung. Dass die FDP jetzt die Reißleine gezogen hat, ist deshalb gut - und überhaupt kein Unglück, wie uns manche Kommentatoren weismachen wollen. Für Jamaika bestand absolut kein Wählerauftrag. Die freundliche Börse nach einem ersten Schluckauf zeigt, dass es als besser angesehen wird, wenn Schwarz-Gelb-Grün nicht zustande kommt.

Die FDP hat der Verführung durch die Beteiligung an der Macht widerstanden. Sie hat ihre programmatischen Kernaussagen über eine identitätsverleugnende Kompromisslösung gestellt und dürfte deshalb allen Unkenrufen zum Trotz gestärkt in die sich abzeichnenden Neuwahlen gehen. Die Chance, das Wahldesaster vom 24. September in sein Gegenteil zu wenden, hat die Union fast schon wieder vertan, indem sie Angela Merkel gestattete, sich als Spitzenkandidatin auch für den Fall von Neuwahlen anzudienen. Die Bürger wollen einen Personalwechsel. Mal sehen, wann die Union diese Kurve kriegt.

Im Tohuwabohu der Regierungsbildung ist fast gänzlich untergegangen, dass Deutschland am Montag bei zwei wichtigen Standortfestlegungen für den Umzug von EU-Behörden aus London für die Zeit nach dem Brexit den Kürzeren gezogen hat. Dass die Europäische Arzneimittelagentur nicht nach Bonn vergeben würde, war noch absehbar gewesen (es wurde Amsterdam). Dass aber die Europäische Bankenaufsicht nicht an den Standort der Europäischen Zentralbank nach Frankfurt, sondern nach Dublin zieht, ist ein Affront.