Zum Jahresende werden sich die Konjunkturperspektiven nochmals eintrüben. Eine nachhaltige Erholung der Wirtschaft ist angesichts möglicher gesundheitspolitischer Einschränkungen und anhaltender Lieferengpässe wohl erst im kommenden Jahr zu erwarten. Auf diesen Nenner lassen sich die Ergebnisse der November-Umfrage des Ökonomen-Barometers von €uro am Sonntag bringen.

Demnach geht der Indikator im November zurück und landet mit 50,1 Punkten (minus sechs Prozent) nur knapp oberhalb der Stagnationslinie, die wirtschaftlichen Stillstand bedeutet. Auch die Erwartungen für die kommenden sechs Monate schwächen sich ab und liegen mit 56,2 Punkten um fünf Prozent unter dem Vormonat. In der vorangegangenen Umfrage waren die Oktober-Werte irrtümlich zu hoch ausgewiesen worden. Die Grafik (siehe rechts) wurde korrigiert und enthält die richtigen Werte.

"Kein Absturz wie 2020"

Viele Experten der €uro am Sonntag-Umfrage wurden angesichts der erneuten Zuspitzung der Lage vorsichtiger, teilweise zeigten sie sich überrascht. "Die negativen Angebotsschocks sind stärker, als ich gedacht hätte", sagte beispielsweise Bruno Schönfelder von der TU Freiberg.

"Die deutsche Wirtschaft wird sich warm anziehen müssen", warnte Ludovic Subran, Chefvolkswirt der Allianz. "Wir erwarten eine Fortsetzung der herbstlichen Abkühlung, jedoch keinen winterlichen Absturz wie im letzten Jahr." Vor allem der Dienstleistungssektor müsse angesichts steigender Infektionszahlen mit einer Nachfragedelle rechnen. Nach einem noch kräftigen Wirtschaftswachstum von zwei Prozent im dritten Quartal werde sich das Wachstum im vierten Quartal auf ein Prozent halbieren.

Die Chefvolkswirte Jörg Krämer (Commerzbank) und Carsten Brzeski (ING) mochten so- gar eine leichte Rezession im Winterhalbjahr nicht mehr ausschließen. "Corona wird weiter die Konjunktur diktieren", sagte Krämer.

Der Trend im Ökonomen-Barometer deckt sich im Übrigen mit den jüngsten Aussagen des Sachverständigenrats (SVR), der seine Wachstumsprognose für 2021 vor allem wegen anhaltender Lieferprobleme auf 2,7 (bisher: 3,1) Prozent gesenkt hat. Dafür erwartet das Expertengremium für 2022 ein stärkeres Wachstum von 4,4 Prozent (bisher: 4,0). Die Unsicherheit bezüglich der kommenden wirtschaftlichen Entwicklung sei hoch, warnte der SVR. Erneute Corona-Einschränkungen oder andauernde Materialengpässe könnten die Erholung verzögern.

Ein ähnliches Bild liefert der jüngste ZEW-Indikator. Die monatliche Umfrage unter Analysten und Anlegern fiel im November allerdings etwas besser aus und kletterte nach fünf Rückgängen um 9,4 auf 31,7 Punkte. Doch auch hier wird mit anhaltenden Lieferengpässen gerechnet.

Bei der Inflation, die derzeit mit 4,5 Prozent auf dem höchsten Wert seit Ende 1993 liegt, erwarten die Wirtschaftsweisen nur allmählich eine Entspannung. Die Jahresteuerung dürfte von durchschnittlich 3,1 Prozent in diesem Jahr auf 2,6 Prozent im nächsten Jahr sinken.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) forderte angesichts der Zahlen die Politik auf, pandemiebedingte Einschränkungen zu beseitigen - etwa durch eine weitere Impfkampagne und eine 3G-Regel (genesen, geimpft oder getestet) am Arbeitsplatz.