Der WTI-Future musste vor dem Wochenende ein neues Sechsjahrestief hinnehmen. Im Zuge der 2008 ausgelösten Finanzkrise stürzte die US-Sorte bis Ende des Jahres auf etwas mehr als 32 Dollar ab. Trotz erheblich robusterer Weltkonjunktur mehren sich nun die Analystenprognosen, dass die Marke von 30 Dollar in den kommenden Monaten in Angriff genommen werden könnte. An der New York Mercantile Exchange hat sich die Stimmung unter den spekulativen Marktakteuren erneut eingetrübt. Dies belegte der am Freitagabend veröffentlichte Commitments of Traders-Report der US-Aufsichtsbehörde Commodity Futures Trading Commission (CFTC).

Zum vierten Mal in Folge ging es mit der kumulierten Netto-Long-Position (optimistische Markterwartung) großer und kleiner Spekulanten bergab. In der Woche zum 18. August kam es auf Wochensicht zu einem Rückschlag von 232.425 auf 213.829 Kontrakte (-7,0 Prozent). Zur Erinnerung: Vor 14 Monaten fiel der Optimismus mit 492.580 Futures mehr als doppelt so hoch aus. Noch skeptischer waren die Terminspekulanten lediglich Ende März gestimmt. Kurz danach setzte der Ölpreis allerdings zu einer markanten Erholungsrally an und bescherte der US-Sorte einen Kurssprung von 40 auf über 60 Dollar. Fazit: Ein hohes Maß an Skepsis oder gar Pessimismus unter den spekulativen Marktakteuren erhöht die Chancen auf einen Rebound.

Beim jüngsten CoT-Report war unter großen wie kleinen Spekulanten eine einheitliche Tendenz festzustellen - ihre Zuversicht hinsichtlich der weiteren Perspektiven von Öl nahm deutlich ab. So reduzierten die Großspekulanten (Non-Commercials) ihre Netto-Long-Position gegenüber der Vorwoche von 225.843 auf 210.564 Kontrakte (-6,8 Prozent), den niedrigsten Stand seit fast fünf Monaten. Die Kleinspekulanten (Non-Reportables) haben ihren vorherigen Optimismus von 6.582 auf 3.265 Futures in etwa halbiert. Derzeit spricht einiges für einen anhaltenden Abwärtstrend, schließlich herrscht sowohl unter fundamentalen als auch unter charttechnischen Aspekten vor allem eines: Trübsal. Ein bisschen erinnert die aktuelle Lage an den Ölmärkten an das alte deutsche Sprichwort: Wenn du glaubst es geht nicht mehr kommt von irgendwo ein Lichtlein her. Als gutes Beispiel eignet sich in diesem Zusammenhang der Goldpreis, dem es Anfang August ähnlich schlecht ging.

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Aus charttechnischer Sicht ist die aktuelle Lage bei der US-Sorte WTI eindeutig: Der Ölpreis befindet sich in einem intakten Abwärtstrend und auf Kurs in Richtung neues Sechsjahrestief. Damals stürzte der Ölpreis im Zuge der Finanzkrise innerhalb von weniger als sechs Monaten von fast 139 Dollar auf etwas mehr als 32 Dollar ab. Ähnlich wie damals zeigt der Timingindikator Relative-Stärke-Index mit Werten um 20 Prozent eine überverkaufte Lage an. Spannend wird es, wenn die Marke von 30 Prozent markant überschritten wird. Dies interpretieren Chartisten nämlich als Kaufsignal. Wenig Hoffnung machen hingegen die 100- wie auch die 200-Tage-Linie. Vor allem die langfristige Durchschnittslinie verbietet durch ihre stark fallende Tendenz geradezu einen Einstieg. Richtig spannend wird es im Bereich der Unterstützungszone von 32 Dollar, wo dem fossilen Energieträger vor etwas weniger als sechs Jahren ein eindrucksvoller Turnaround gelang.

Viele Rohstoffanalysten scheinen von der Baisse des Ölpreises regelrecht überrollt worden zu sein. Für das vierte Quartal reichen die von der Nachrichtenagentur Bloomberg erfassten Kursziele der Analysten von 42 bis 81 Dollar und ergeben einen durchschnittlichen Mittelwert von 58,71 Dollar. Mit aktuell 40 Dollar sind wir hiervon allerdings noch meilenweit entfernt. Extrem optimistisch muten auch die Prognosen für das kommende Jahr an. Bei Extremwerten zwischen 41 und 84 Dollar errechnet sich ein Durchschnittswert von 64,02 Dollar. Wer darauf wettet, muss allerdings eine gehörige Portion Wagemut mitbringen.

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Zum Commitments of Traders-Report:



Einmal pro Woche veröffentlicht die US-Aufsichtsbehörde Commodity Futures Trading Commission (CFTC) den sogenannten Commitments of Traders-Report (COT) für sämtliche US-Terminbörsen und deren angebotenen Futures. Im wöchentlichen Rhythmus wird unter anderem die Anzahl der offenen Kontrakte (Open Interest) für jeden Basiswert veröffentlicht. Sie bringt zum Ausdruck, wie sich das allgemeine Interesse auf Wochensicht entwickelt hat.

Außerdem zeigt der COT-Report auf Basis der Marktdaten des jeweiligen Dienstags auf, wie sich die Marktpositionen der kommerziellen Branchenvertreter (Commercials) und der spekulativen Marktakteure - aufgeteilt in Großspekulanten (Non-Commercials) und Kleinspekulanten (Non-Reportables) - innerhalb einer Woche verändert haben. Für jede Gruppe von Marktakteuren werden jeweils deren Long- und Short-Positionen aufgeführt. Übertrifft die Long-Seite das Short-Engagement wird von einer Netto-Long-Position gesprochen, die eine mehrheitlich optimistische Markterwartung zum Ausdruck bringt. Im anderen Fall (mehr short als long) handelt es sich um eine Netto-Short-Position, die eine tendenziell pessimistische Markterwartung anzeigt. Für die Aktivitäten der spekulativen Marktakteure interessieren sich die Marktbeobachter normalerweise besonders stark, da ihr Handeln vor allem auf das Erzielen möglichst hoher Gewinne ausgerichtet ist und daher einen starken Einfluss auf die Preisentwicklung und das Marktsentiment ausüben kann.

Zum Autor:

Jörg Bernhard ist freier Journalist und hat sich in den vergangenen Jahren auf Zertifikate-, Rohstoff- und Edelmetallinvestments spezialisiert.