Obwohl der Ölverbund Opec+ in der vergangenen Woche beschlossen hat, seine Förderung im Juli und August stärker auszuweiten, sind die Erdölpreise weiter gestiegen. Allein seit Jahresbeginn hat sich Rohöl um mehr als 50 Prozent verteuert. Hauptgründe sind die Invasion Russlands in der Ukraine und scharfe Sanktionen vornehmlich westlicher Länder. Russland ist einer der größten Rohöl-Förderer der Welt, hat sanktionsbedingt aber Probleme, Abnehmer für sein Öl zu finden.

Analysten zeigten sich skeptisch, ob das zusätzliche Rohöl ausreicht, um das knappe Weltmarktangebot auszugleichen. Unterstützung erhält der Ölmarkt derzeit auch von der weniger angespannten Corona-Lage in großen chinesischen Metropolen. Die Erwartung einer wieder steigenden Nachfrage in China schlägt sich bereits in den Preisen für Rohöl in Asien nieder. Saudi-Arabien hat am Montag die offiziellen Verkaufspreise in Asien deutlich angehoben. Der Aufschlag steigt auf 6,50 Dollar je Barrel nach zuvor 2,10 Dollar.

Mangelnde Reservekapazitäten


Grund für den Schritt sind auch die mangelnden Reservekapazitäten in den Förderländern. Die Anleger am Rohölmarkt wetten nun darauf, dass die von der Opec geplanten Angebotssteigerungen nicht ausreichen werden, um die Nachfrage zu befriedigen, zumal China seine Corona-Beschränkungen lockert. Zwar wurde eine Erhöhung der Fördermengen beschlossen, doch greift die erst in den Sommer-Monaten. Die Luft für die Produzenten wird dünner. Dazu trägt auch die Sorge über die Angebotsentwicklung in Russland bei. Die gestiegene Förderquote der OPEC+ Staaten soll den Ausfall russischer Exporte teils kompensieren, was angesichts der begrenzten Reservekapazitäten jedoch schwierig ist.

Die Analysten der Citigroup haben daher ihre Prognosen für die Ölpreise nach oben angepasst. Für das laufende zweite Quartal wurde die Schätzung für Brent-Öl um 14 Dollar auf 113 Dollar angehoben. Für das dritte Quartal gehen die Experten nun von 99 Dollar aus, fürs vierte von 85 Dollar. Die Prognosen steigen damit um jeweils zwölf Dollar.

Commerzbank-Experte Carsten Fritsch verweist zudem auf die Nachricht, dass in der norwegischen Öl- und Gas-Industrie ein Streik drohen könnte. Zwar wären von dem Streik nur zwei Prozent der norwegischen Öl- und Gasproduktion betroffen, wobei die Gasproduktion mit Rücksicht auf die derzeitige Versorgungslage vom Streik zunächst ausgenommen werden solle. Norwegen sei aber der wichtigste europäische Öl- und Gasproduzent außerhalb Russlands.

Einschätzung zum Brent-Ölpreis


Der Preis für ein Barrel Brent-Öl hat die 120-Dollar-Marke übersprungen, wenn auch noch nicht nachhaltig. Rein charttechnisch ist ein weiterer Aufschwung Richtung der Höchstkurse bei gut 130 Dollar möglich. Charttechnische Entspannung käme erst auf, wenn der Brent-Preis den kurzfristigen Aufwärtstrend (bei etwa 116 Dollar) unterschreitet.

mmr mit dpa und rtr