Ein Rechercheverbund hatte am Sonntagabend Informationen veröffentlicht, die zeigen sollen, dass Hunderte Politiker und Amtsträger aus aller Welt Gelder in Steueroasen versteckt haben. In Deutschland waren neben der "Süddeutschen Zeitung" auch NDR und WDR an der Recherche beteiligt. Weltweit haben mehr als 600 Journalisten neue Daten dazu ausgewertet. Es geht um 11,9 Millionen vertrauliche Dokumente, in denen neben Regierungsvertretern auch Oligarchen und Prominente zu finden sind. Die "Pandora Papers" sollen dem Internationalen Konsortium für Investigative Journalistinnen und Journalisten (ICIJ) von einer anonymen Quelle zugespielt worden sein.

"Steuervermeidung und Geldwäsche florieren über Briefkastenfirmen trotz aller Skandale weiter", sagte der Grünen-Finanzpolitiker Sven Giegold, der Mitglied des Sondierungsteams seiner Partei zur Bildung einer neuen Bundesregierung ist. "Wir brauchen schärfere Regeln, die volle Transparenz und mehr internationalen Informationsaustausch sicherstellen. Steuerbehörden müssen auch bei Immobilien und verschachtelten Briefkastenfirmen Kapitaleinkommen aus dem Ausland besteuern können." Es gebe auf internationaler Ebene zwar Fortschritte, sie reichten aber nicht aus. Die geplante globale Mindeststeuer etwa solle nur für Großkonzerne gelten, nicht aber für Briefkastenfirmen von Superreichen. Giegold kritisierte auch die EU-Liste, die Steueroasen brandmarken soll. "Zwei Drittel der Briefkastenfirmen in den Pandora-Daten liegen in den Britischen Jungferninseln, die aber auf der EU-Steueroasen-Liste fehlen."

Eine Sprecherin des Bundesfinanzministeriums sagte in Berlin, eine abschließende Bewertung sei noch nicht möglich. "Erstvermutungen legen nah, dass der Deutschland-Bezug jetzt erstmal nicht so groß ist." Es gebe schon internationale Maßnahmen zur Bekämpfung von Steuervermeidung, etwa ein Transparenzregister und die geplante globale Mindeststeuer für Großkonzerne. Letztere sei weit vorangeschritten und ein wichtiger Baustein zum Austrocknen von Steueroasen. Regierungssprecher Steffen Seibert ergänzte, die Berichterstattung in den Medien werde aufmerksam verfolgt. Die Regierung habe den Anspruch, gegen Steuervermeidung vorzugehen. "In diese Richtung wollen wir weitermachen." Fortschritte seien aber nur international möglich, was Zeit dauere. "Solche Prozesse greifen nicht sofort." Sie seien aber in Gang gesetzt.

FDP-Finanzpolitiker Florian Toncar sagte Reuters, die Pandora-Enthüllungen beunruhigten: "Wenn man sieht, wie viele prominente Politiker aus dem Ausland selbst zum Teil beträchtliches Vermögen in Offshore-Ländern liegen haben, ist es überhaupt nicht verwunderlich, dass wir bei der Bekämpfung von Geldwäsche und Steuerbetrug international nur langsam vorankommen."

"ES WIRD MILLIARDÄREN ZU LEICHT GEMACHT"


Das muss sich der Lobbyorganisation Finanzwende zufolge ändern: "Regelmäßig entziehen sich Politiker, Prominente und Milliardäre ihrer Verantwortung für unser Gemeinwesen. Oft wird es ihnen dabei viel zu leicht gemacht, obwohl es um Milliarden geht", sagte Finanzwende-Vorstand Gerhard Schick. Es brauche ein funktionsfähiges und wirklich öffentliches Transparenzregister für Unternehmen und Immobilien. Ähnlich äußerte sich die Linke: "Die 'Pandora Papers' müssen ein Weckruf sein", sagte Christian Görke, der früher Finanzminister in Brandenburg war und gerade in den Bundestag gewählt wurde. "Steuerbetrug ist ein Brandbeschleuniger für die Ungleichheit.

Namentlich erwähnt werden in den Dokumenten unter anderem Jordaniens König Abdullah, der tschechische Ministerpräsident Andrej Babis sowie Personen aus dem Umfeld des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Abdullah wird vorgeworfen, mit Geldern aus Steueroasen mehr als 100 Millionen Dollar für Luxusimmobilien ausgegeben zu haben. Laut der Londoner Kanzlei DLA Piper, die Abdullah vertritt, wurden öffentliche Gelder zu keinem Zeitpunkt zweckentfremdet. Der König besitze Immobilien in Großbritannien und den USA, das sei kein Geheimnis, teilte der Palast mit.

Babis wies am Sonntagabend in einer TV-Debatte jede Form eines Fehlverhaltens zurück. Es gehe um Geld, das von einer tschechischen Bank gekommen sei. Dieses Geld sei versteuert gewesen. "Es war mein Geld, und es ist wieder auf eine tschechische Bank zurückgekommen." Für Babis kommen die Enthüllungen zu einer heiklen Zeit. In wenigen Tagen wird ein neues Parlament in Tschechien gewählt. In den Dokumenten gibt es Babis-Verbindungen zu einem 22 Millionen Dollar teuren Anwesen in der Nähe des südfranzösischen Promi-Ortes Cannes. Ein Kreml-Sprecher sagte, es gebe in Russland keine Pläne, die Informationen zu überprüfen.

rtr