Um mit einem Missverständnis aufzuräumen: Porsche ist nicht gleich Porsche. Logisch, werden eingefleischte Autofans einwenden, ein klassischer 911er ist nicht zu verwechseln etwa mit dem ersten Stromer des Sportwagenbauers namens Taycan. Doch wenn es um die Porsche SE geht, die seit September in den DAX aufgestiegen ist, so verläuft die relevante Trennlinie nicht zwischen Verbrenner und Stromer, sondern bei der Art des Geschäfts: Das Unternehmen, das korrekt Porsche Automobil Holding SE heißt und seit Neuestem im deutschen Leitindex notiert, ist eine Beteiligungsgesellschaft und kein Autobauer.

In der Porsche SE haben die Industriellenfamilien Porsche und Piëch, deren Geschichte eng mit der Gründung des VW-Konzerns verwoben ist, ihre VW-Stammaktien gebündelt. 53,3 Prozent der stimmrechtsberechtigten Stämme hält die Porsche SE. Sie kontrolliert damit Europas größten Autokonzern neben anderen Anteilseignern wie dem Land Niedersachsen - und somit auch den Sportwagenbauer Porsche, dem neben Audi größten Gewinnbringer. Zudem hält die Porsche SE mit Sitz in Stuttgart Anteile an kleineren Technologiefirmen wie etwa einem Münchner Start-up für Raketenantriebe namens Isar Aerospace oder jüngst erworbenen Anteilen am israelischen Halbleiterprüfsoftware-Spezialisten Proteantecs.

Holding und Autohersteller haben aber gemeinsame Wurzeln. Die Idee zur Trennung einer Beteiligungsfirma vom operativen Porsche-Geschäft hatten die einstigen Porsche-Vorstände Wendelin Wiedeking und Holger Härter, die ab 2007 Anteile des damals niedrig bewerteten VW-Konzerns kauften. Mit der sich zuspitzenden Finanzkrise scheiterte der ehrgeizige Übernahmeplan des Duos 2009, den Härter auch mit komplexen Derivate-Deals umzusetzen versuchte. VW wurde somit nicht von Wiedeking und Härter gesteuert, die Porsches und Piëchs fanden eine andere Lösung: Operativ kam Porsche zu VW, die VW-Stämme blieben in der Holding.

Eine Altlast sind Prozessrisiken aus der Zeit der Übernahmeschlacht. Zunächst klagten US-Hedgefonds gegen das Management um Wiedeking, weil dieses monatelang seine Absicht, VW zu übernehmen, verschleiert hatte. Viele Hedgefonds hatten VW-Aktien leer verkauft und waren nach Offenlegung der realen Besitzverhältnisse durch Porsche in einen sogenannten Short-Squeeze geraten: Sie mussten VW-Aktien zu horrenden Kursen zurückkaufen. Der Bundesgerichtshof weigerte sich aber 2016 nach bereits vorinstanzlichen Niederlagen der US-Kläger, diese Klagen anzunehmen. Beim Oberlandesgericht Celle sind indes weitere Verfahren wegen des Übernahmeversuchs anhängig. Hier klagen Investoren wie Fondsgesellschaften auf Schadenersatz in Höhe von rund 5,4 Milliarden Euro.

Je nachdem, wie man die Aussichten der Klagen bewertet, fällt das Urteil über die Aktie der Porsche SE aus. Bisher interpretierten Beobachter die Äußerungen des Gerichts in Celle dahingehend, dass es keine rechtliche Basis für die 5,4-Milliarden-Klage sieht. Der Marktwert liegt derzeit ein gutes Drittel unter dem Wert der VW-Stämme. Die Sache ist jedoch nicht abgeschlossen.

Vorstand unter Starkstrom

Operativ ist die Holding dank der starken Marktposition von Volkswagen hervorragend aufgestellt. Nach einem Verlust im Vorjahreszeitraum schrieb die Porsche SE im ersten Halbjahr wieder knapp 2,5 Milliarden Euro Nettogewinn. Chef Herbert Diess setzt stark auf die E-Mobilität und will den VW-Konzern möglichst rasch auf die neue Technik fokussieren. Ziel ist es, 2030 bereits bis zu 60 Prozent des Absatzes in Europa elektrisch angetrieben zu verkaufen. VW investiert dafür viele Milliarden in Batteriezelltechnik und Software. Die hohe Produktivität der neuen Technologie - Elektroautos brauchen weitaus weniger Einzelteile als Verbrenner - will Diess dazu nutzen, auch die Kernmarke VW zu höherer operativer Rendite zu führen. Bereits ab 2023 sollen die VW-Stromer laut Diess Gewinne einfahren.

Nächste Woche: Puma
 


INVESTOR-INFO

Porsche SE

Discount für Risiken

Der sogenannte innere Wert der Beteiligungen liegt vor allem wegen des Werts der 53,3 Prozent an den VW-Stämmen deutlich über dem Börsenwert der Porsche SE. Gegenwärtig beträgt der Abschlag etwa 37 Prozent, im langjährigen Durchschnitt waren es um die 25 Prozent. Das Prozessrisiko bleibt vorerst. Die meisten Analysten empfehlen die Vorzugsaktie der SE zum Kauf. Anleger erwerben mit dem Papier günstig VW-Anteile.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 110,00 Euro
Stoppkurs: 55,00 Euro