Die Wirtschaftslage in Deutschland verschlechtert sich weiter. Die Inflationsrate hat im September mit 10,0 Prozent einen neuen traurigen Höchststand erreicht. Die führenden Wirtschaftsforschungs-Institute sehen weitere dunkle Wolken aufziehen. Eine Rezession ist praktisch ausgemachte Sache, über längere Zeit müssen Verbraucher mit Wohlstandsverlusten rechnen.

Die Inflation in Deutschland hat im September die Marke von 10 Prozent erreicht. Die Verbraucherpreise lagen um 10,0 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag anhand vorläufiger Daten mitteilte. Im August lag die jährliche Teuerungsrate noch bei 7,9 Prozent. Seit Aufzeichnungsbeginn Anfang der 50er-Jahre wurde noch nie eine so hohe Inflationsrate verzeichnet.

Der Deutsche Aktienindex Dax – bereits am Vormittag schwach – reagierte auf die Inflationszahlen kaum. Am frühen Nachmittag fällt das Börsenbarometer wieder unter die 12.000-Punkte-Marke.

DAX (WKN: 846900)

Düsteres Herbstgutachten

Deutschland steuert nach Einschätzung führender Wirtschaftsforschungsinstitute direkt in eine Rezession – mit herben Wohlstandsverlusten über längere Zeit. "Die Hauptbelastung findet derzeit bei den privaten Haushalten statt, die einen massiven Kaufkraftverlust hinnehmen müssen. Und der wird sich im Laufe des nächsten Jahres noch verstärken", sagte Torsten Schmidt vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung am Donnerstag bei der Vorlage des Herbstgutachtens führender Wirtschaftsforscher. Die meisten Unternehmen dagegen könnten die Energiepreis-Schocks noch recht gut verkraften.

Auch für das kommende Jahr zeichnen die Experten ein düsteres Bild: "Der Wohlstandsverlust durch den Abfluss von Einkommen durch die höheren Energiepreise wird auch längerfristig Bestand haben. Das ist kein vorübergehendes Phänomen, das wird uns länger beschäftigen", sagte Schmidt. Die Industrie dagegen zeige sich noch relativ robust, weil Auftragsbücher gut gefüllt seien.

Drei Quartale mit schrumpfendem Wirtschaftswachstum

Insgesamt sagen die Wirtschaftsforscher in ihrem Herbstgutachten eine Rezession für Deutschland voraus: Drei Quartale hintereinander werde die Wirtschaft schrumpfen, im zu Ende gehenden Sommerquartal, im Herbst und Anfang 2023. Für das Gesamtjahr 2022 rechnen die Experten wegen des besseren ersten Halbjahrs noch mit einem kleinen Wirtschaftswachstum von 1,4 Prozent, für 2023 sagen sie dann einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,4 Prozent voraus.

Damit bewerten die Forscher die wirtschaftliche Lage deutlich schlechter als noch im Frühjahr. Erst für 2024 erwarten sie eine nachlassende Spannung auf den Energiemärkten und damit auch eine wirtschaftliche Erholung.

Alles hängt an den Gaspreisen

Die Gaspreise seien der entscheidende Faktor, der die deutsche Wirtschaft in die Rezession treiben werde. Und die Spitze sei hier noch nicht erreicht, hieß es. Die höchsten Energiepreise für Verbraucher würden Mitte des kommenden Jahres erwartet. "Das heißt, dieser Schock, der derzeit die Wirtschaft getroffen hat, der wird noch sehr lange fortwirken", sagte Schmidt.

Auch die Inflation werde sich der Prognose zufolge weiter verstärken. Für das aktuelle Jahr rechnen die Institute mit einer Teuerungsrate von durchschnittlich 8,4 Prozent, für 2023 mit 8,8 Prozent. Erst für 2024 gehen sie von sinkenden Energie- und Rohstoff-Preisen und damit einer Inflation von 2,2 Prozent aus.

Eine Gaspreis-Bremse, wie sie heute von der Bundesregierung beschlossen wurde, kann die ohnehin schon hohe Inflation noch weiter anfachen, warnen die Wirtschaftsforscher. Wegen des hohen Import-Anteils erfordere eine Senkung des Gaspreises "massive Subventionen, die ihrerseits natürlich dann neue Kaufkraft in den Privatsektor pumpen würden", sagte Stefan Kooths vom Institut für Weltwirtschaft Kiel.

Damit werde der gesamtwirtschaftliche Preisauftrieb abermals angefacht. "Und das ist destabilisierend, insbesondere aber auch problematisch für die unteren Einkommensgruppen, für die ist das geradezu ein Bärendienst", sagte er. (Mit Material von dpa-AFX)