Herr Prof. Otte, die Griechenland-Krise spitzt sich weiter zu. Wie schlimm kann es noch werden?
Die EU weiß, dass Tsipras Griechenland in der Eurozone halten will. Das Tauziehen kann sich noch verschärfen, aber letztlich wird man einen wie auch immer gearteten Kompromiss finden.

Die neue griechische Regierung fordert mehr Zeit und drängt dabei auf zahlreiche Zugeständnisse, darunter einen Überbrückungskredit, um eine mögliche Staatspleite abzuwenden. Außerdem soll offenbar das Sanierungsziel des Staatshaushalts aufgegeben werden. Statt des ab 2016 anvisierten Primärüberschusses von 4,5 Prozent des BIP soll die Zielmarke auf 1,5 Prozent gesenkt werden. Sollte die EU diesen Forderungen nachkommen?
Ich hoffe, dass die EU hart bleibt. Dann gäbe es vielleicht doch eine Chance, dass Griechenland ausscheidet - und dass damit die verfehlte Rettungspolitik insgesamt korrigiert wird.

Welche Entwicklung erwarten Sie an den Börsen für die kommenden Wochen: Wird die politische Entwicklung in Griechenland sowie der Ukraine die Berichtssaison weiter überlagern?
Die Ukraine macht mir größere Sorgen. Es ist nicht ganz ausgeschlossen, dass die amerikanischen Kriegstreiber wie zum Beispiel Senator John McCain bekommen, was Sie wollen.

Sollte es zu einem Austritt Griechenlands aus der Eurozone kommen: Was würde das für die Börsen bedeuten: Müssten sich Anleger dann auf einen knallenden Crash einstellen?
Natürlich würde es kurz wackeln. Aber die Anleger würden rasch merken, dass nun der Weg frei ist für eine sinnvolle Europolitik. Die Börsenstände in Europa würden massiv nach oben schießen.

Auf Seite 2: Welche Folgen ein Grexit für die Zukunft des Euro haben könnte


Was würde ein möglicher Grexit für die Zukunft des Euro bedeuten: Wäre die Gemeinschaftswährung dann überhaupt noch zu retten?
Sie wäre sogar sehr viel besser zu retten als jetzt, da eine so verfasste Eurozone viel homogener wäre, sich nicht mehr nach dem langsamsten Schiff richten müssen und besser die Politik koordinieren könnte.

Wie schlimm wären die Folgen eines Grexit für die griechische Wirtschaft und die Bevölkerung auf Sicht von drei bis fünf Jahren?
Griechenland hat die Katastrophe schon hinter sich: im Euro. Vielleicht würde es noch einmal ein katastrophales Jahr geben, aber dann ginge es aufwärts.