Der Westen bereite "die Invasion unseres Landes, einschließlich der Krim, vor". Der russische Präsident sprach erneut von einer "Spezialoperation" im Nachbarland Ukraine. Der Westen habe über Jahre nicht auf die russischen Sicherheitsinteressen reagiert. Die Nato bilde an den Grenzen zu Russland eine Gefahr, fügte Putin hinzu. An der Militärparade nahmen diesmal keine ausländischen Regierungschefs teil.

Russische Truppen waren am 24. Februar in die ehemalige Sowjetrepublik Ukraine einmarschiert. Seitdem tobt dort ein Krieg, in dem bereits zehntausende Menschen umgekommen sind. Die Rede von Putin war mit Spannung erwartet worden. So war spekuliert worden, dass Putin eine Generalmobilmachung oder den Einsatz neuer Waffensysteme ankündigen könnte. Dies tat er in seiner elfminütigen Rede nicht, auch erwähnte er die Ukraine nicht beim Namen und äußerte sich auch nicht dazu wie lange die Kämpfe noch anhalten werden.

Russland hat bisher unterschiedliche Kriegsziele genannt. Zunächst hatte Moskau als Ziel die Entmilitarisierung und "Entnazifizierung" der Ukraine genannt. Dann nannte das Verteidigungsministerium die Eroberung des Donbass als Hauptziel. Später gab es Berichte, dass Russland versuchen könnte, die Ukraine völlig vom Zugang zum Schwarzen Meer abzuschneiden.

Nach ukrainischen und westlichen Berichten hat die russische Armee bisher in der Ukraine schwere Verluste hinnehmen müsse. Einen Vormarsch auf Kiew hatte sie abgebrochen und ihre Truppen im Osten der Ukraine konzentriert. Dort greifen russischen Truppen seit Wochen verstärkt ukrainische Stellungen an.

Als besonders symbolischträchtig gilt die von russischen Bombardements fast völlig zerstörte südostukrainische Hafenstadt Mariupol mit einst 400.000 Einwohnern. Dort kämpfen neben ukrainischen Soldaten auch Angehörige der Asow-Miliz gegen die russischen Truppen. Etliche Soldaten harren dort immer noch im umkämpften Stahlwerk Asowstal aus. Der stellvertretende Kommandeur des Asow-Regiments bat die internationale Gemeinschaft um Hilfe bei der Evakuierung verwundeter Soldaten. "Wir werden weiter kämpfen, solange wir leben, um die russischen Besatzer zurückzuschlagen", sagte Hauptmann Swiatoslaw Palamar auf einer Online-Pressekonferenz.

SORGE VOR WEITEREN RUSSISCHEN ANGRIFFEN


Die ukrainischen Behörden warnten vor weiteren heftigen Angriffen der russischen Seite am symbolträchtigen 9. Mai. "Heute wissen wir nicht, was wir vom Feind zu erwarten haben, was für schreckliche Dinge er tun könnte, also gehen Sie bitte so wenig wie möglich auf die Straße und bleiben Sie in den Schutzräumen", sagte der Gouverneur der ostukrainischen Region Luhansk, Serhij Gaidai. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte zuvor gesagt, dass bei dem russischen Bombenangriff auf eine Schule im ostukrainischen Bilohoriwka am Samstag Dutzende von Menschen ums Leben gekommen seien. Etwa 90 Menschen hätten sich in die Schule geflüchtet, sagte Gaidai. Aus Moskau gab es keine Reaktion.

Wie viele Zivilisten, ukrainische und russische Soldaten in dem Krieg bisher gestorben sind, ist unklar. Putin kündigte in seiner Rede weitere Hilfen für die Kinder und Familien gefallener Soldaten an. Erneut stellte er den russischen Einmarsch in einen direkten Zusammenhang mit dem Kampf gegen den Nationalsozialismus. Den aufmarschierten Soldaten rief er zu, sie kämpften jetzt für die Sicherheit Russlands. Ausdrücklich erwähnte er dabei Einheiten, die von der Donbass-Front im Osten der Ukraine kämen.

Bundeskanzler Olaf Scholz hatte Putin am Sonntag in einer Ansprache zum Jahrestag des Kriegsendes vorgeworfen, die Geschichte zu verfälschen. "Nun will Russlands Präsident Putin die Ukraine unterwerfen, ihre Kultur und ihre Identität vernichten." Dies werde man nicht zulassen. "Putin wird den Krieg nicht gewinnen. Die Ukraine wird bestehen", hatte der Kanzler gesagt.

Die USA hatten am Sonntag weitere Sanktionen gegen Russland erlassen. Die G7-Gruppe der wichtigsten westlichen Industrieländer stellte sich hinter Pläne, den Import russischen Öls nach einer Übergangsfrist zu beenden.

rtr