Beim Thema Plastik verlor die EU-Kommission keine Zeit. Erst kurz vor Weihnachten angekündigt, wurden die Exporte von Plastikmüll aus der Europäischen Union zum Jahreswechsel eingegrenzt. Aus- und Einfuhren in und aus Industriestaaten unterliegen seit dem 1. Januar strengeren Vorgaben. In Entwicklungsländer dürfen nur noch saubere Kunststoffabfälle zum Recycling ausgeführt werden.

In den vergangenen Jahren haben immer mehr Länder den Import von Plastikmüll abgelehnt oder zumindest eingeschränkt. Dennoch wurden zuletzt noch immer rund 1,5 Millionen Tonnen Plastikabfälle jährlich über die Grenzen der Europäischen Union transportiert, vorzugsweise nach Südostasien oder in die Türkei. In Deutschland lagen die Plastikmüllexporte nach Schätzungen des Bundesverbands der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft im vergangenen Jahr bei 986 000 Tonnen, was einem Rückgang um zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Zusammen mit den USA und Japan zählt Deutschland noch immer zu den drei Ländern mit den höchsten Plastikmüllexporten weltweit.

Dennoch bleibt ein immer größerer Teil des Müllbergs in der Europäischen Union und muss recycelt werden. In Deutschland müssen ab dem kommenden Jahr fast zwei Drittel aller Kunststoffverpackungsabfälle aus privaten Haushalten wiederverwertet werden. Bis 2030 will die EU die Recyclingpflicht auf eine Quote von 70 Prozent erhöhen. Zu den Profiteuren der strengeren Vorgaben zählt Tomra Systems. Die Norweger gehören zu den weltweit größten Anbietern von Sortieranlagen für wiederverwertbare Reststoffe und wachsen seit Jahren kontinuierlich. Zwischen 2010 und 2020 konnten Erlöse und Gewinne jeweils etwa verdreifacht werden. Nicht zuletzt aufgrund der strengeren EU-Vorgaben dürfte das weitere Wachstum in den kommenden Jahren vorgezeichnet sein.

An der Börse gehörte die Aktie in den zurückliegenden Jahren zu den Lieblingen der Investoren. Nach einer Vervierfachung des Aktienkurses seit 2017 ist nun aber die Bewertung in Grenzbereiche vorgestoßen. Während sich das derzeitige Recycling von Kunststoffen in erster Linie auf mechanische Verfahren konzentriert, bei denen der Plastikmüll nach Kunststoffarten sortiert, eingeschmolzen und zu Rezyklaten als Ausgangsstoff für neue Produkte aufbereitet wird, erforschen innovative Ansätze die Möglichkeiten des chemischen Recyclings. Das norwegische Unternehmen Quantafuel hat einen chemischen Prozess entwickelt, mit dem Plastik in hochpreisige Produkte recycelt werden kann - etwa emissionsarmen Diesel, der zum 1,5-fachen Preis des normalen Diesels gehandelt wird, Heizöl und Naphta (Rohbenzin), das zur Herstellung von hochwertigem Recyclingplastik verwendet wird. Nachdem die Behörden im vergangenen Sommer grünes Licht gaben, wurden bis zum Jahreswechsel zwei der vier Produktionslinien der Skive-Anlage in Dänemark in Betrieb genommen.

Enormes Potenzial

Zusammen mit Partner BASF sollen in den kommenden Jahren weitere Anlagen in Europa entstehen. Der deutsche Chemieriese investierte 20 Millionen Euro in das Unternehmen und sicherte sich im Rahmen des Deals ein Vorkaufsrecht auf die gesamte Menge an Pyrolyseöl und aufgereinigten Kohlenwasserstoffen aus der Skive-Produktion. Das riesige Marktpotenzial für chemisches Recycling von Plastikmüll, das Branchenkenner auf 70 bis 80 Milliarden US-Dollar per 2030 taxieren, hat im vergangenen Herbst auch die Beteiligungs- und Investmentgesellschaft Kirkbi auf den Plan gerufen. 250 Millionen Norwegische Kronen (rund 24 Millionen Euro) investierte das Family Office von Kjeld Kirk Kristiansen. Zwischen 1979 und 2004 führte Kristiansen den Spielzeughersteller Lego zum Welterfolg.

Auch das französische Unternehmen Carbios verfolgt den Ansatz des chemischen Recyclings und setzt dabei auf ein Enzym, das Plastik binnen weniger Stunden vollständig verdauen kann. Ohne vorherige Sortierung könnte mit dem Verfahren Plastikmüll komplett in neue Kunststoffe transformiert werden. Partnerunternehmen wie Michelin, L’Oréal oder Pepsico sind interessiert, den Proof-of-Concept soll nun eine Demonstrationsanlage liefern. Carbios ist eine Wette auf die erfolgreiche Kommerzialisierung der Technologie in den kommenden Jahren. Die Bank BNP Paribas traut dem Unternehmen im Jahr 2030 Umsätze von mehr als 280 Millionen Euro bei einer Ebitda-Marge von 40 Prozent zu. Zum Vergleich: Derzeit generiert das Unternehmen Umsätze von weniger als zwei Millionen Euro pro Jahr. Vergleichsweise neu auf dem Kurszettel ist Agilyx. Zusammen mit Partner Amsty hat der Börsennewcomer ein komplettes zirkuläres Recycling von Polystyrol entwickelt, einem weitverbreiteten und kostengünstigen Kunststoff. Obwohl sich der Kurs seit dem Börsenstart im vergangenen Herbst gut entwickelt hat, fliegt die Aktie noch immer unter dem Radar der meisten Marktteilnehmer.

Alternative Produkte gefragt

Recycling ist indes nur die zweitbeste Möglichkeit, den immer schneller wachsenden Plastikberg zu bewältigen. Anfang der 2000er-Jahre ist in einem Jahrzehnt mehr Plastik entstanden als in den 40 Jahren zuvor. Weltweit werden heute über 400 Millionen Tonnen Plastik pro Jahr produziert, ein Drittel davon für Verpackungen. Die beste Lösung dieses Problems wäre die Vermeidung von Kunststoffproduktion und die Nutzung nachhaltiger Alternativen. So produziert Corbion unter anderem den auf Zucker basierenden Kunststoff PLA als Alternative zu den erdölbasierten Kunststoffen. Zu den Partnern der Niederländer gehören internationale Konzerne wie Total, Nestlé oder Pepsico. Seit Monaten markiert die Aktie ein Rekordhoch nach dem anderen, Researchhäuser wie Kepler Cheuvreux sehen das Potenzial aber noch immer nicht ausgereizt.