SPD, Grüne und FDP präsentieren 59 Tage nach der Wahl ihren Koalitionsvertrag. Darin findet sich viel Neues zur Altersvorsorge auch mit Aktien, zu Steuern und zum Thema Wohnen. Von Bernhard Bomke

Knapp zwei Monate nach der Bundestagswahl haben die Spitzen der künftigen Regierungsparteien SPD, Grüne und FDP ihren Koalitionsvertrag vorgelegt. Das 179 Seiten starke Papier mit dem Titel "Mehr Fortschritt wagen: Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit" enthält neben vielen generellen Zielen etwa hinsichtlich großer Themen wie Demografie, Digitalisierung und Einsatz gegen die Erderwärmung zahlreiche konkrete Vorhaben.

Sie betreffen unter anderem die Bereiche Altersvorsorge, Arbeit, Sparen/Geldanlage, Steuern, Verbraucherschutz und vor allem die Wohnungspolitik. Plakatives wie eine große Steuerreform plant die Regierung unter dem künftigen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zwar nicht, aber im Vertrag finden sich viele Vorhaben wie der Einstieg in eine aktienbasierte Rente und eine Grunderwerbsteuer für Großinvestoren, die einen tatsächlichen Willen zu Veränderungen ausdrücken.

• Altersvorsorge: Das gesetzliche Rentenniveau soll dauerhaft den Level von 48 Prozent (Verhältnis der Standardrente zum Durchschnittsverdienst aller Versicherten) nicht unterschreiten. Der Versicherungsbeitrag (derzeit 18,6 Prozent) steigt in dieser Legislaturperiode laut Vertrag nicht über 20 Prozent. Überraschend: Der sogenannte Nachholfaktor in der Rentenberechnung wird wieder aktiviert. Die Rentenerhöhungen werden demnach 2022 geringer ausfallen als bislang angenommen.

Ein echtes Novum ist der Einstieg "in eine teilweise Kapitaldeckung der gesetzlichen Rentenversicherung". Ein öffentlich-rechtlich verwalteter Fonds soll global in Aktien anlegen. Der Bund steuert zum Start nächstes Jahr zehn Milliarden Euro bei. Offen ist noch, wie hoch der Anteil des Rentenversicherungsbeitrags ist, der in Aktien angelegt wird.

In der betrieblichen Altersversorgung werden Anlagemöglichkeiten mit höheren Renditen erlaubt. Laufende Riester-Verträge genießen Bestandsschutz. Riester-Alternativen mit höheren Renditen werden geprüft.

• Arbeit: Der Mindestlohn wird in einem Zug von derzeit 9,60 Euro auf zwölf Euro pro Stunde erhöht. Die Minijobgrenze steigt von 450 auf 520 Euro im Monat, die Grenze für Midijobs von 1300 auf 1600 Euro.

• Pflegeversicherung: Im Vertrag heißt es: "Den Beitrag zur Sozialen Pflegeversicherung heben wir moderat an."

• Sparen/Geldanlage: Der Sparerpauschbetrag steigt zum 1. Januar 2023 von 801 auf 1000 Euro, bei Zusammenveranlagten von 1602 auf 2000 Euro. Die Möglichkeit zur Emission elektronischer Wertpapiere soll auf Aktien ausgeweitet werden.

• Steuern: Die insbesondere von FDP-Chef Christian Lindner angekündigten Superabschreibungen für Investitionen in Klimaschutz und Digitalisierung ermöglichen in den Jahren 2022 und 2023, einen Teil der in den beiden Jahren entstehenden Kosten vom steuerlichen Gewinn abzuziehen. Eine konkrete Höhe steht nicht im Vertrag.

Wichtig für Rentner: Der steuerpflichtige Rentenanteil steigt ab 2023 langsamer, sodass eine Vollbesteuerung der Renten erst 2060 erreicht wird.

• Verbraucherschutz: Bei der Finanzaufsicht Bafin wird eine Vergleichs-Website für Kontogebühren eingerichtet. Zwischen dem Abschluss eines Kreditvertrags und dem einer darauf bezogenen Restschuldversicherung muss künftig mindestens eine Woche liegen.

• Wohnen: Ziel der Koalition sind jährlich 400 000 neue Wohnungen (davon 100 000 geförderte). Als Anreiz für mehr Wohnungsneubau wird die lineare Abschreibung von zwei auf drei Prozent im Jahr erhöht. Neu eingeführt wird eine Wohngemeinnützigkeit mit steuerlicher Förderung und Investitionszulagen. Die Mietpreisbremse (betrifft Neuvermietungen) wird bis 2029 verlängert. Die Kappungsgrenze (betrifft Bestandsmieten) auf angespannten Wohnungsmärkten sinkt von 15 auf elf Prozent binnen drei Jahren. Mietspiegel speisen sich künftig aus Daten von Mietverträgen der vergangenen sieben (bisher sechs) Jahre. Das soll den Anstieg der Mieten dämpfen.