Nach dem Scheitern der Koalition zwischen der populistischen Fünf-Sterne-­­Bewegung und der rechtsgerichteten Lega sondiert Italiens Präsident Sergio Mattarella mit verschiedenen Parteivertretern mögliche Wege aus der Regierungskrise. Um Neuwahlen zu verhindern, drängt das Staatsoberhaupt die im Parlament vertretenen Parteien, sich bis Dienstag auf ein neues Regierungsbündnis festzulegen. Fünf-Sterne-Bewegung und die sozialdemokratische Partito Democratico (PD) hätten eine knappe Mehrheit in der Volksvertretung.

Hinter Mattarellas Vorgehen steht das Bemühen, Italien handlungsfähig zu halten und Stabilität zu bewahren. Bis zum 15. Oktober muss Rom der EU den Haushalt für 2020 vorlegen, das Land ist am Rand einer Rezession. Zudem steht die Besetzung der neuen EU-Kommission an. Und die letzte Wahl liegt erst eineinhalb Jahre zurück.

Aus vorgezogenen Neuwahlen könnte die rechte, europafeindlichen Lega als Sieger hervorgehen. Die Partei unter dem bisherigen Vizepremier Matteo Salvini kam in Umfragen zuletzt auf knapp 40 Prozent. Investoren fürchten, dass Salvini im Fall eines Machtgewinns die Ausgaben des hoch verschuldeten Landes nach oben fährt und erneut auf Kollisionskurs zur EU geht. Das könnte Europa in eine neue Krise stürzen.

Als Alternative gilt eine Übergangsregierung durch Technokraten, die den Haushalt auf den Weg bringen. Dann würde erst im Frühjahr neu gewählt.

Anleger optimistisch


Investoren hofften zum Wochenende auf die Bildung einer neuen Regierung ohne Neu­wahlen. Der Mailänder Leitindex MIB legte im Wochenverlauf zu, die Rendite zehnjähriger italienischer Anleihen fiel Freitag früh auf 1,28 Prozent, den niedrigsten Stand seit Oktober 2016. Die PD zeigte sich offen für ein Bündnis mit der Fünf-Sterne-Bewegung, sofern diese ein klares Bekenntnis zu Europa ablege und sich für eine umverteilungsorientierte Sozial- und Wirtschaftspolitik mit Investitionen ausspreche. Als Hindernis für den Zusammenschluss könnte sich Ex-Premier Matteo Renzi erweisen. Fünf-Sterne-Anhänger lehnen das PD-Mitglied als typischen Vertreter des Establishments ab. Eine Mitarbeit Renzis in einer neuen Regierung, womöglich als Minister, ist für sie inakzeptabel, während Renzi in der PD viele Getreue hat.

Dass die politischen Turbulenzen in Italien eine neue Eurokrise auslösen, gilt den meisten Experten als unwahrscheinlich. "Dafür gibt es keine Anzeichen", sagte etwa Bundesfinanzminister Olaf Scholz. Würde sich die Misere der italienischen Wirtschaft verschärfen und der Schuldenberg weiter wachsen, wäre die "Ansteckungsgefahr" wohl viel geringer als 2011/2012. Sollte Italiens Bonität jedoch weiter herabgestuft werden, würde dies vor allem italienische Banken hart treffen.