Ruhestand nach Dienstvorschrift: Dabei müssen es Beamte nicht belassen. Private Vorsorge eröffnet ihnen Spielräume, das Ende ihres Dienstes den eigenen Wünschen anzupassen. Von Matthias Fischer, Gisela Haberer, Stephan Haberer und Andreas Höss
Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel erschien am 03.01.2019 erstmals onlineRalph Westphal fährt praktisch nie in Urlaub, aber immer mit dem Rad zur Arbeit. Da er auch privat gern durch seine Region radelt, kommen so im Jahr 8000 Kilometer zusammen. Mit dem Auto werden es nicht mal halb so viel. Trotzdem leistet er sich dafür richtigen Luxus: In der Garage steht ein amerikanischer Kombi mit 480 PS und einem V8-Motor mit 6,1 Liter Hubraum. "Bei so geringer Fahrleistung ist ein hoher Spritverbrauch leicht zu verkraften", meint der studierte Ingenieur schmunzelnd. Auch seine Wohnkosten sind niedrig: Er hat das Haus seiner Großmutter geerbt.
Westphal hat zwar einige sportliche Hobbys, aber kaum Ansprüche. Ein Leben, wie geschaffen für ein vorzeitiges Ausscheiden aus der Erwerbstätigkeit. Und das will der Ingenieur, der mit 40 Jahren als Berufsschullehrer für Sport und Maschinenbau in Hessen verbeamtet wurde, auch nutzen. Zur Gestaltung seines Eintritts in den Ruhestand hat er als Beamter ähnliche Möglichkeiten wie gesetzlich Rentenversicherte.
Höhere Altersgrenze
Auch für Beamte des Bundes und von 15 Bundesländern steigt die Regelaltersgrenze von 65 auf 67 Jahre. In Brandenburg beginnt der Ruhestand für Beamte schon 2029 regulär erst mit 67 Jahren. Berlin schickt seine Beamten weiterhin mit 65 Jahren in Pension, denn die Bundeshauptstadt will die Zahl ihrer Beamten verringern. Westphals Geburtsjahrgang 1962 scheidet in Hessen regulär mit 66 Jahren und acht Monaten aus dem Dienst aus. Für Lehrer an öffentlichen Schulen ist allerdings nicht der Geburtstag, sondern das Ende des Schulhalbjahres maßgeblich. Seit seinem 50. Geburtstag nimmt jedoch Westphals Wunsch zu, die Tafelkreide früher wegzulegen.
Pension für besonders langjährig Versicherte
Der Bund, Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz haben Sonderregelungen für Beamte mit mindestens 45 Dienstjahren. In diesen Bundesländern können sie auf Antrag mit 65 Jahren ohne Versorgungsabschläge in Pension; teilweise sogar früher, etwa bei Dienstunfähigkeit.
Nach 40 "berücksichtigungsfähigen" Dienstjahren haben Beamte grundsätzlich ihren maximalen Pensionsanspruch erreicht: 71,75 Prozent ihrer "ruhegehaltfähigen Dienstbezüge". Dafür ist Westphal zu spät Beamter geworden. Doch im Vertrauen auf seinen Dienstherren sagt er: "In Relation zur Dauer meiner Erwerbstätigkeit wird meine Pension noch immer höher ausfallen als eine genauso lang erwirtschaftete Rente." Nach fünfjähriger Dienstzeit haben Beamte Anspruch auf eine Mindestversorgung von 35 Prozent der Bezüge aus ihrer Besoldungsgruppe oder - falls die Pension dadurch höher ausfällt - auf 65 Prozent der Bezüge aus der Endstufe der Gruppe A 4.
Pension mit Abschlägen
Beamte, die früher in Pension gehen, müssen - wie gesetzlich Rentenversicherte - Abschläge hinnehmen: 0,3 Prozent pro Monat, maximal 14,4 Prozent; bei Dienstunfähigkeit maximal 10,8 Prozent. Dieser vorzeitige Ruhestand wird vom Bund und den meisten Ländern frühestens ab 63 Jahren gewährt, in Hessen und Thüringen schon ab 62, in Niedersachsen ab 60, in Bayern erst ab 64 Jahren. Beamte aus besonders belastenden Diensten wie Polizei, Strafvollzug und Feuerwehr dürfen in der Regel früher ausscheiden.
Schwerbehinderte Beamte können im Bund, in Baden-Württemberg, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, im Saarland und in Thüringen mit 62 Jahren in Pension gehen, in Rheinland-Pfalz mit 61 Jahren und in den restlichen neun Bundesländern bereits mit 60 Jahren.
Flexipension?
Seit Start der Flexirente kommt immer wieder die Frage nach einer Flexipension auf. Doch laut DBB Beamtenbund und Tarifunion kann es ein solches Pendant nicht geben. Denn die Beamtenpension ist entsprechend dem Alimentationsprinzip grundsätzlich als Vollversorgung angelegt. Nur eine Art von "Flexibilisierung" kennen fast alle Dienstherren: Der Eintritt in den Ruhestand ist hinausschiebbar, meist um bis zu drei Jahre. Seit Juli 2013 besteht sogar ein Anspruch auf eine längere Lebensarbeitszeit, wenn damit frühere Einbußen, etwa durch Erziehungs- oder Pflegezeiten, ausgeglichen werden.
Altersteilzeit
Beamte des Bundes müssen schnell und bereits 60 Jahre alt sein - dann können sie noch bis Ende dieses Jahres in Altersteilzeit. In Rheinland-Pfalz gibt es diesen Weg nur noch für Lehrkräfte, und das auch nur bis Ende 2021. Lediglich Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein bieten ihren Beamten noch diesen weicheren Übertritt in den Ruhestand. In allen anderen Bundesländern liefen die Regelungen bereits vor Jahren aus. Übrigens: In der freien Wirtschaft ist Altersteilzeit inzwischen ein freiwilliges Angebot des Arbeitgebers, das nicht mehr durch die Bundesagentur für Arbeit gefördert wird.
Teilzeitarbeit
Bund und Länder regeln dies unterschiedlich. Alle machen die Bewilligung aber von "dienstlichen Belangen" abhängig: Werden die Beamten dringend gebraucht, gibt es keine Stundenreduzierung. Beamte, die ein minderjähriges Kind erziehen oder einen Angehörigen pflegen, können in der Regel für maximal 15 Jahre in Teilzeit arbeiten oder sich komplett beurlauben lassen. Während einer Beurlaubung fließen weder monatliche Bezüge noch Beihilfe - also finanzielle Unterstützung im Fall von Krankheit, Pflege oder Tod. Doch die Ansprüche auf Beihilfe, Pension sowie auf Rückkehr in eine Vollzeitstelle leben nach Ende der Beurlaubung wieder auf.
Westphal hat Glück, Beamter in Hessen zu sein. Denn hier kann jeder ohne Anführung bestimmter Gründe beantragen, seine Arbeitszeit bis zur Hälfte zu reduzieren. Diese Möglichkeit will er voraussichtlich nutzen und in einem der nächsten Schuljahre auf eine Zwei-Drittel-Stelle gehen.
Arbeitszeitkonten
So gut wie alle Dienstherren richten Arbeitszeitkonten nur für ihre Beschäftigten im öffentlichen Dienst ein, nicht aber für ihre Beamten. Der Tarifvertrag für Angestellte im öffentlichen Dienst kennt Kurzzeitkonten - um Schwankungen der Arbeitszeit meist binnen Jahresfrist auszugleichen - und Langzeitkonten. Auf diesen können Arbeitsstunden zum Beispiel für einen vorzeitigen Berufsausstieg angespart werden.
Ausnahme: Hessen. Hier wurde 2007 auch für Beamte, ausgenommen Richter, das sogenannte Lebensarbeitszeitkonto eingerichtet. Bis zu ihrem 60. Geburtstag sparen Beamte auf diesem Konto ohne Antrag automatisch pro Woche eine Stunde an. Damit wurde die generell um zwei Stunden höhere Wochenarbeitszeit von Beamten gegenüber Angestellten ausgeglichen. Seit August 2017 arbeiten auch hessische Beamte nur noch 41 Stunden. Nun gelten Übergangsregelungen für über 60-Jährige und schwerbehinderte Beamte.
Im Juni 2018 erließ Hessen eine neue Richtlinie - wieder zum Vorteil für Berufsschullehrer Westphal. Lehrkräften und Sozialpädagogen werden automatisch bis zum 60. Lebensjahr 0,5 Pflichtstunden pro Woche auf ihrem Lebensarbeitszeitkonto gutgeschrieben. Zusätzlich gibt es je nach Alter Ermäßigungen bei der Zahl der Pflichtstunden: erstmals ab 55 und dann nochmals ab 60 Jahren.
Sabbatjahr
Bund und Bundesländer haben klare Regelungen zum Sabbatjahr: für Beamte wie für ihnen gleichgestellte Angestellte des öffentlichen Diensts. Während einer Ansparzeit von bis zu zehn Jahren wird Vollzeit gearbeitet, währenddessen die Bezüge aber reduziert. Während der anschließenden Auszeit fließt das reduzierte Gehalt weiter. Sollte der Beamte vor der Auszeit aus unvorhergesehenen Gründen pensioniert werden, muss der Dienstherr die angesparten Bezüge nachzahlen.
Grundsätzlich darf ein Sabbatical auch direkt vor dem Ruhestand eingelegt werden - was diesen gefühlt ein Jahr nach vorn verschiebt. Einziger Haken: Auch Sabbatjahre werden nur genehmigt, wenn keine dienstlichen Belange entgegenstehen. Westphal überlegt, erst weniger zu unterrichten und dann ein Sabbatjahr einzulegen. Schmeckt ihm die völlige Freiheit, will er sich im Anschluss beurlauben lassen. Falls ihm Kollegen wie Schüler doch zu sehr fehlen, kehrt er für die letzten Berufsjahre zurück. Einkommenseinbußen deckt er aus privatem Vermögen.
Riester-Rente
Besoldungsempfänger wie Beamte, Richter und Soldaten zählen zu den unmittelbar Förderberechtigten, erhalten also Zulagen oder Steuervorteile für eine Riester-Rente. Sie können aber nur über einen privaten Vertrag riestern, nicht in Form der betrieblichen Altersvorsorge. Bei Antragstellung müssen sie ihren Beamtenstatus angeben, die Freistellung von der Rentenversicherungspflicht ihres Dienst-herren vorlegen und schriftlich in die Übermittlung ihrer Daten von der Besoldungsstelle an die Zulagenstelle einwilligen. Sie können auch geförderte Rürup-Renten nutzen. Ob und was sich für sie lohnt, ist immer nur individuell zu errechnen.
Kapitalanlagen
Einen Sachwert, nämlich sein Eigenheim, erbte Westphal. Sein weiteres Vermögen begann er bereits mit dem ersten Gehalt aufzubauen. Derzeit liegt knapp die Hälfte dieses Vermögens in passiven ETFs auf Schwellenländer-, Infrastruktur- und global investierende Indizes. Diese brachten bislang im Schnitt 4,5 Prozent Rendite pro Jahr. Eine weitere knappe Hälfte legte er in Geschlossenen Fonds an: gestreut auf Immobilien- und Solarfonds. Die Immobilien, darunter eine Pflegeimmobilie, bringen um die sieben Prozent Rendite pro Jahr, die Solarfonds um die sechs Prozent.
Seit zwei Jahren beteiligt er sich zudem über Crowd-Investing-Plattformen an Immobilienentwicklungen und erwartet auch hier um die sieben Prozent Rendite pro Jahr. Mit einer Rendite in dieser Höhe verdoppelt sich der angelegte Betrag etwa binnen zehn Jahren.
Der Single ist sich schon heute sicher, dass er genügend zur Seite gelegt hat, um erst die Stundenzahl reduzieren und danach vorzeitig in Pension gehen zu können. Am Ruhestand lockt ihn vor allem die freie Zeiteinteilung, nicht so sehr das Nichtstun. Im Gegenteil, er könnte sich kleine Nebenjobs vorstellen, wie er es von Bekannten kennt: als Unterstützer in einer Kita oder als ehrenamtlicher Mitarbeiter im freiwilligen Polizeidienst.
Generell können pensionierte Beamte nur unter bestimmten Voraussetzungen und bis zu gewissen Grenzen hinzuverdienen, ohne dass ihre Beamtenversorgung gekürzt wird. Aber selbst in diesem Punkt hat Westphal Glück: In Hessen wird Beamten ein Hinzuverdienst nur bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze angerechnet. Mit viel freier Zeit könnte er sich sogar mal einen Urlaub vorstellen: "Wobei ich Deutschland und seine Vielfalt liebe. Es muss also gar nicht weit weg gehen." Und schon sind wieder Ausgaben gefunden, die bei ihm gar nicht erst anfallen: etwa die Kosten einer Fernreise. So hält sein Vermögen, das er im Ruhestand selbstverständlich weiter anlegen wird, noch länger.
Fazit Ralph Westphal: Der 56 Jahre alte verbeamtete Berufsschullehrer setzt bei seiner privaten Altersvorsorge auf passive Indexfonds, Geschlossene Fonds und Crowdfunding.