Der Schock zieht sich quer durch die Branche. Der zweitgrößte europäische Reiseveranstalter, Thomas Cook, hat den Betrieb eingestellt. 600.000 Urlauber sind betroffen, Tausende Mitarbeiter müssen um ihre Jobs bangen. In den Strudel des Crashs des britischen Traditionskonzerns sind auch dessen deutsche Töchter, neben den Reiseveranstaltern Neckermann, Öger Tours und Bucher Reisen auch die Fluggesellschaft Condor, geraten.

Das Problem: Viele Unternehmen sind in ihren Geschäftsbeziehungen verflochten. So arbeitet etwa die deutsche Airline Condor zwar profitabel, ausgelastet werden die Jets aber bisher vor allem durch Urlauber, die die britische Mutter akquirierte. Condor-Chef Ralf Teckentrup und seine Mitarbeiter dürfen dennoch hoffen: Ein Überbrückungskredit über 380 Millionen Euro wurde mit Garantien der Bundes­regierung und des Landes Hessen bewilligt. Das Unternehmen will jetzt unter dem Schutzschirm einer Insolvenz in Eigenverwaltung seine Geschäfte neu aufstellen.

Manche hingegen profitieren vom Crash. Da wäre etwa die Nummer 1 der Branche, TUI. Gleich mehrere Analysten stuften die Aktie nach der Pleitenachricht des härtesten Rivalen hoch, der Kurs sprang stark an. Angesichts der Überkapazitäten in der Branche entlaste der Wegfall eines großen Spielers die Wettbewerber, so das Argument. "Profitabilität und freier Cashflow dürften sich kurzfristig verbessern", erklärt Cristian Nedelcu von der UBS. Analyst Richard Clarke vom US-Haus Bernstein sieht zudem Chancen für TUI, Marktanteile zu gewinnen. Auch bei der Preisgestaltung werde es Spielraum geben.

Just am Tag nach der Hiobsbotschaft für Thomas Cook meldete TUI ein Buchungsupdate. Chef Friedrich Joussen bestätigte die Prognose für das Geschäftsjahr bis Ende September. Der operative Gewinn soll wie erwartet um 26 Prozent fallen. Allein 300 Millionen Euro kostet der Ersatz der vom Flugverbot betroffenen Boeing 737-Max-Jets. Sonst laufe es - angesichts des schwierigen Umfelds - ordentlich, so Joussen sinngemäß. Man stehe bei den Sommerbuchungen nur knapp unter Vorjahr. Die Kapazitäten für den Winter seien zu 30 Prozent ausgebucht, was dem Vorjahreswert entspreche.

Brexit drückt die Stimmung


Die Kunden sind schon seit einiger Zeit zurückhaltend. Der heiße Sommer 2018 hatte die Lust auf Fernreisen gezügelt, der vergangene Winter lief auch nicht viel besser. Ein Minus im Winterhalbjahr ist in der Branche durchaus üblich. Im Geschäftshalbjahr bis Ende März verbuchte TUI ­einen Verlust in Höhe von 290 Mil­lionen Euro. Thomas Cook aber erwischte es heftig: Die hoch verschuldeten Briten verschreckten Anleger mit 1,7 Milliarden Euro Minus.

Die Konjunktureintrübung und der nahende Brexit drücken weiter auf die Stimmung. Die Bilanz der Hannoveraner aber ist solide. Und der Konzern ist strategisch gut aufgestellt. Joussen setzte früh auf eigene Assets wie Hotels und Schiffe. Sie machen seinen Angaben nach rund 70 Prozent des Geschäfts aus. Und der Konzern kann flexibler auf Trends wie günstige Individualreisen reagieren. Mit der Hotelvariante TUI Blue etwa lockt er jüngere Kunden, die sich auch mit landestypischer Küche und einfacherem Ambiente anfreunden können. Auch bei den schon über Jahre boomenden Kreuzfahrten schwimmt TUI vorn mit. Erst kürzlich stellte der Konzern drei neue Schiffe in Dienst.

Beobachter fragen sich indes, ob TUI darüber hinaus von der Marktbereinigung profitieren könnte. Vor Wochen wurde bereits über eine Kooperation mit der Fluggesellschaft Condor spekuliert. In der Branche werden jetzt viele Szenarien durchgespielt, auch ein Verkauf der Airline. "Wir haben unser Interesse nicht angemeldet", winkt der TUI-Chef ab. Man kann darüber streiten, ob das nach einer endgültigen Absage klingt.

Investor-Info

TUI
Aktie läuft an


Europas Marktführer befindet sich wie die gesamte Branche in Turbulenzen. Die Konjunkturaussichten und der drohende Brexit belasten. Von der schlechten Stimmung der britischen Verbraucher aber ist TUI weniger betroffen. Chef Joussen will die Effizienz steigern, investiert aber weiter konsequent in eigene Assets wie Hotels und Schiffe. 2019 gibt es eine Delle beim Gewinn. Für die Periode ab Oktober wird ein kräftiges Gewinnplus erwartet. Die Aktie ist angesprungen, Kaufsignal.

Empfehlung: Kaufen.
Kursziel: 13,00 Euro
Stoppkurs: 8,70 Euro