Wer mittels Robo-Advisor Geld anlegen will, sollte finanzaffin sein und auch Verluste gut aushalten können, sagt Jochen Werne. Er leitet das Innovationsteam beim Münchner Bankhaus August Lenz. Der Banker ist auch Mitglied der Initiative "Lernende Systeme - Die Plattform für Künstliche Intelligenz", in der sich unter anderem Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik mit Chancen und ­Risiken künstlicher Intelligenz befassen. Die Plattform wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.

€uro am Sonntag: Herr Werne, das Geschäft mit Robo-Advisors kommt auch sechs Jahre nach Einführung in Deutschland nicht recht vom Fleck. Woran liegt das?
Jochen Werne:
Robo-Advisors sind mit großen Vorschusslorbeeren gestartet. Das Marketing erweckte den Eindruck, die Robos könnten alles besser. Dabei wurde nicht darauf geachtet, wie die Kunden eigentlich zu dieser neuen Art der Finanzdienstleistung stehen. Heute müssen wir feststellen: Die Kunden wurden - anders als in den USA - ganz offensichtlich nicht mitgenommen. Also gibt es auch nicht so viel Anlagevolumen mit Robos wie gedacht.

2018 machten die Robos ganz ähnliche Verluste wie Investoren, die selbst oder über einen Vermögensverwalter Geld in ­Indexfonds (ETFs) gesteckt haben. Das wird Anleger nicht gerade in Scharen zu Fans dieser automatisierten Form der Vermögensverwaltung machen.
Robo-Advisors können gar nicht besser abschneiden, denn nicht nur sie nutzen technische Lösungen, um Anlageentscheidungen zu treffen. Vermögensverwalter agieren ebenso. Insofern ist das vergleichbare Minus im vergangenen Jahr nicht verwunderlich. Ich glaube dennoch, dass es hierzulande einen Markt für die Robos gibt. Nur ist er nicht so groß wie vermutet. Deutliche Zuwächse könnte es geben, wenn die Zielkunden klar definiert und von den Banken dann auch konsequent in Richtung Robo-Advisory gelenkt würden.

Dazu haben die Banken wo­möglich gar keine große Lust, weil sie sich so ihr margenträchtiges Geschäft mit klassischer Vermögensberatung kaputt­machen würden.
Die gegenseitige Kannibalisierung der Geschäftsfelder wird in den Banken tatsächlich stark diskutiert. Die Frage ist, ob es den Geldhäusern gelingt, neue Zielgruppen zu finden, die als preissensible Robo-Advisor-Kunden hinzukommen, ohne dass das klassische Beratergeschäft wegbricht.

Für welchen Typus Anleger sind Robo-Advisors geeignet?
Er sollte auf alle Fälle finanzaffin und bestenfalls auch etwas technikaffin sein. Zudem muss er das Selbstbewusstsein mitbringen, sich selbst um seine Finanzen kümmern zu wollen. Aufgrund der geringeren finanziellen Einstiegshürde sind Robos auch für jene geeignet, die erste Erfahrungen mit Vermögensberatung machen möchten.

Und wer sollte vom Robo-Advisor besser die Finger lassen?
Das sind diejenigen, die einen Finanzberater haben und diesen auch brauchen, weil sie mit Verlusten nur schwer umgehen können. Wer in Gelddingen zu emotional reagiert, sollte vom Robo-Advisor besser absehen.

Können Robos eigentlich irgendwas besser als Menschen?
Sie sind vor allem preisgünstig. Die Robos investieren überwiegend in ETFs, haben keinen teuren Serviceapparat und sind ein gutes Standardprodukt mit etwas Service.

Die künstliche Intelligenz scheint riesige Fortschritte zu machen. Könnten Robo-Ad­visors in den nächsten Jahren schlauer werden als Menschen und die besseren Anlageentscheidungen treffen?
Wir müssen unterscheiden. Robo-Advisors analysieren genau wie klassische Vermögensberater meist mittels statistischer Auswertungen. Nur weil bei Robo-Advisory oft auch von Algorithmen gesprochen wird, ist dies nicht mit künstlicher Intelligenz gleichzusetzen. Künstliche Intelligenz kann Zusammenhänge gut aufzeigen, die in großen Datenmengen teilweise verborgen sind. Es wird noch sehr lange dauern, bis Maschinen bei Anlagethemen etwas besser können als Menschen. Die Entscheidung, ob man konkret Geld investiert, liegt trotz aller Technik, die uns helfen soll, beim Investmentmanager oder beim Kunden. Und das ist auch gut so.

Der frühere Chef der US-Notenbank, Paul Adolph Volcker, sagte einmal: "Die letzte echte Innovation der Banken war der Geldautomat." Bleibt es dabei, oder haben die Robos das Zeug zur echten Innovation?
Geldautomat und Robo-Advisor lassen sich nicht vergleichen. Mit dem Geldautomaten ver­binden viele Kunden Emotion, denn dort holen sie ihr Geld. Robo-Advisors sind gewiss nichts fürs Gefühl, und damit fehlt hier ein wichtiger Aspekt für eine echte Innovation. Bislang sind Robo-Advisors nur eine weitere digitalisierte Alternative eines vormals analogen Geschäftsbereichs.