Vieles ist dabei neu: Die Zusammensetzung ist größer als bei den seit Jahren laufenden Treffen, und das Gespräch wird aus den Hinterzimmern in den Fraktionsvorstandssaal der SPD geholt. Mit von der Partie sind nicht nur die Politiker, von denen bekannt ist, dass sie einer rot-rot-grünen Option zugeneigt sind. "Es ist sehr viel Wert von allen drei Parteien darauf gelegt worden, dass das flügelübergreifend ist", sagte Angela Marquardt. Die frühere PDS-Politikerin organisiert als Mitarbeiterin in der SPD-Fraktion seit Jahren den Arbeitskreis "Denkfabrik" und damit regelmäßige sogenannte "r2g"-Treffen - zweimal Rot, einmal Grün.

Um die Vorbereitung eines fliegenden Wechsels aus der großen Koalition in ein neues Regierungsbündnis geht es dabei erklärtermaßen nicht. Bereits seit der Bundestagswahl 2013 verfügten SPD, Linke und Grüne über eine rechnerische Mehrheit. "Das ist ein Gesprächsformat", sagte SPD-Generalsekretärin Katarina Barley vor dem Treffen, an dem sie teilnehmen werde. Auch Jan Korte, Vizefraktionschef der Linkspartei und einer der Initiatoren des Treffens, warnt vor überzogenen Erwartungen: "Es geht nicht um konkrete Planungen." Vielmehr solle ausgelotet werden, welchen Weg ein zur großen Koalition alternatives "Mitte-Links-Bündnis" beschreiten könnte. Und: "Natürlich ist das Treffen auch ein Stück weit ein Signal."

SPD-LINKE WOLLEN WEG JENSEITS GROSSER KOALITION BESCHREIBEN



Auch die SPD-Linken pochen darauf, ohne vorbereitende Gespräche könne es nach der Bundestagswahl 2017 keine Option für Rot-Rot-Grün geben, sofern es rechnerisch dafür eine Mehrheit gäbe - in Umfragen sieht es derzeit nicht danach aus. "Mit dem rot-rot-grünen Trialog heben wir die bisherigen Aktivitäten auf eine neue Ebene", sagte der Sprecher der Parlamentarischen Linken der SPD, Matthias Miersch. "Es geht uns darum, den Weg zu einer Mehrheit diesseits der Union ganz konkret zu beschreiben und auf eine breite Basis in allen drei Parteien zu stellen."

Jeweils 30 Abgeordnete aller drei Parteien sind eingeladen. Bei der SPD kommen sie nicht nur aus der Parlamentarischen Linken, sondern auch von den konservativ-pragmatischen Seeheimern und den Netzwerkern, die sich in der Mitte der beiden anderen Zusammenschlüsse ansiedeln. So ist etwa SPD-Vizefraktionschefin Ute Vogt, Mitglied der Netzwerker wie auch des SPD-Präsidiums, dabei. Von den Grünen kommt Dieter Janecek, Sprecher der Realos, bei denen vielfach Schwarz-Grün favorisiert wird. Erwartet wird auch Linken-Fraktionsvize Heike Hänsel, die zum SPD-kritischen, rigoros sozialistisch ausgerichteten Flügel ihrer Partei gehört.

Knackpunkt der r2g-Überlegungen ist die Frage, ob SPD und Grüne mit der Linkspartei zusammenarbeiten können. Hier richten sich alle Augen auf die Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht, die für die Fundamentalisten in ihrer Partei steht und ohne deren Zustimmung ein linkes Regierungsbündnis als nicht machbar gilt. Unmittelbar nach der Wahl des Berliner Abgeordnetenhauses, die voraussichtlich zu einem rot-rot-grünen Senat führen wird, forderte sie: "Rot-Rot-Grün im Bund kann es nur geben, wenn die Grundausrichtung der Politik sich verändert." Andererseits nimmt sich Wagenknecht seit Monaten in ihrer SPD-Kritik im Vergleich zu früheren Äußerungen zurück. Sie ist über das Treffen informiert, aber nicht in dessen Organisation eingebunden.

AFD-ERFOLGE ALS KATALYSATOR ROT-ROT-GRÜNER ÜBERLEGUNGEN?



Dass jetzt Bewegung in die rot-rot-grünen Gedankenspiele kommt, liegt nach Ansicht von Lisa Paus von den Grünen auch daran, dass bei SPD und Linkspartei eine "neue Nachdenklichkeit" eingesetzt hat. "Denen läuft die Kernwählerschaft weg", diagnostiziert sie mit Blick auf die Erfolge der rechtspopulistischen AfD. Beide Parteien müssten darauf eine Antwort finden. Auch Korte von den Linken argumentiert in diese Richtung: Angesichts des Rechtsrucks in Europa und in Deutschland müsse man zusammenrücken.

In diese Kerbe schlägt auch SPD-Mitarbeiterin Marquardt: Es gehe jetzt darum, nicht nur über das Trennende und die Vorbehalte zu diskutieren, sondern auch über die Gemeinsamkeiten. Der Kern der r2g-Anhänger sei schon dabei, in Arbeitsgruppen über einzelne Themen wie etwa die Rentenpolitik zu diskutieren. Jetzt müssten in allen drei Parteien alle Flügel eingebunden werden. Linken-Fraktionsvize Korte versucht allerdings, die Erwartungen zu dämpfen: "Ich würde mir wünschen, dass ein Folgetreffen vereinbart wird."