Trotz zahlreicher Änderungen hielt das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) über Jahre seine schützende Hand über der jungen Branche. Doch ab 2017 werden die Vorgaben dort völlig anders aussehen: Für manche der logische Weg in den Markt, für Töchter von Großkonzernen eine neue Chance, für Fonds und Versicherungen die Hoffnung auf Geldanlage mit echten Zinsen. Für andere indes ist es das Aus einer grünen Bürgerbewegung und eine Bremse für die Energiewende. Klar ist aber allen: Wie es einmal war, wird es nie wieder.

Die Zeiten sind vorbei als die Erneuerbaren der belächelte Neuling auf dem Strommarkt war, der von Großkonzernen wie E.ON und RWE mit Kohle- und Atomkraftwerken beherrscht wurde. Biomasse, Wind, Wasser und Solar produzieren inzwischen rund ein Drittel des Strombedarfs und sind damit noch vor der Braunkohle der größte Erzeuger. Praktisch unkontrolliert gewachsen sind sie nicht zuletzt dank der inzwischen rund 25 Milliarden Euro Subventionen im Jahr, die die Stromkunden zahlen. Etwa die Hälfte des Stroms kommt von den Solarzellen auf Wohnhaus-Dächern, aus Biogas-Anlagen von Bauern oder den Windparks von Genossenschaften - "Energiewende in Bürgerhände" war die Parole. Konzerne und weltweit agierende Fonds waren außen vor.

Doch das soll sich ändern. Wirtschaftsminister Gabriel lenkt die Energiewende in neue Bahnen: Konzentriert wird sich auf Solarfelder und auf Windparks. Ob an Land oder auf hoher See. Vereinfacht gesagt: Es soll größer und damit billiger werden.

Dafür kommt ab 2017 das klassische Instrument der Marktwirtschaft zum Einsatz: Die Ausschreibung oder die Auktionierung. Wer einen Wind- oder Solarpark betreiben will, muss dann sagen, welche Subventionen - also welchen Aufschlag auf den Strom-Börsenpreis - für seine Anlage in den nächsten 20 Jahren benötigt wird. Der Bund wiederum gibt vor, wieviel Megawatt Leistung er in einer Ausschreibungsrunde und im Jahr insgesamt genehmigen will. Bis zu dieser Menge werden dann die günstigsten Projekte ausgewählt. Alle anderen, die zuviel Hilfen verlangt haben, fallen durch.

Die Einschnitte für die Branche könnten dramatisch sein: In Dänemark bekam der Energiekonzern Vattenfall kürzlich den Zuschlag für einen Windpark in der Nordsee - weniger als fünf Cent pro Kilowattstunde hatte der Konzern als garantierten Abnahmepreis gefordert. Das ist deutlich weniger als ein Kohlekraftwerk braucht und löste Schockwellen in der Branche aus. Im deutschen Nordsee-Teil bekommen Windparks derzeit unter dem alten Gesetz mehr als das Doppelte garantiert.

Klar wird der radikale Wandel, wenn man das frühere System betrachtet: Da konnte jeder sein Solardach oder Windpark weitgehend frei planen. Er wusste vorher, welchen Preis er für seinen Strom über 20 Jahre bekommen würde. Der bürokratische Aufwand war ebenso überschaubar wie die Planungskosten und gering das Risiko, auf ihnen sitzen zu bleiben. Wer jetzt bei einer Ausschreibung mit seinem Projekt nicht zum Zuge kommt, hat schnell eine sechsstellige Summe in den Wind geschrieben.

Der Aufschrei war bei Bürgergenossenschaften und den Grünen besonders laut: Das könnten sich nur die Großen leisten. Der Bürger wird aus der Energiewende gedrängt und so wird sie an Akzeptanz verlieren, warnten sie.

Auf Seite 2: Genossenschaften und Projektierer





DIE GENOSSENSCHAFTEN



René Mono ist in der Tat wenig begeistert. "Ausschreibungen sind extrem schwer für Bürgergenossenschaften", sagt der Vize-Chef des "Bündnis Bürgerenergie". Mono ist selbst an zweien beteiligt. Die Idee hinter den Genossenschaften ist es, dass beispielsweise auf einer Gemeindefläche Windräder gebaut werden und die Betreiber Bürger aus dem gleichen Ort sind. Im Idealfall verbrauchen sie die Energie dann gleich selbst. Doch das ist so künftig nicht mehr möglich: Der Strom muss ins allgemeine Netz, eine eigene Vermarktung ist nicht vorgesehen.

Allerdings wurden in letzter Minute ins EEG 2017 noch zwei Sonderregeln geschrieben: Eine Genossenschaft muss vor der Ausschreibung die entscheidenden Genehmigungen noch nicht vorlegen. Und es gilt für sie das Höchstpreisprinzip. Das heißt, sie können ihre Anlagen mit den gleichen Subventionen bauen, die der letzte Gewinner-Windpark der Ausschreibung noch bekommt.

Das Privileg sprach sich schnell herum: "Hier haben sich plötzlich viele Projektierer gemeldet, die mit uns zusammenarbeiten wollen", sagt Mono. Trotz hoher Hürden. Denn bei einer Genossenschaft müssen die Mitglieder wirklich seit längerem im Ort gemeldet sein und sie müssen das Sagen haben. Ein Investor würde also eigentlich nur eine Minderheit halten können. Dennoch wittert Mono Gefahren: "Wir müssen aufpassen, dass wir dann nicht nach der Pfeife der Großen tanzen."

Er ist sich sicher, dass künftig viel mehr Projekte scheitern werden, nicht nur bei Bürgergenossenschaften: "Der Ausbau wird gebremst." Eigentlich will die Regierung Windprojekte an Land mit rund 2500 Megawatt Leistung pro Jahr haben und in gleicher Menge Solarenergie zubauen. Wird jedoch ein Windpark in einer bestimmten Zeit nicht errichtet, verfällt der Zuschlag. Der Druck werde so steigen, Konflikte etwa mit Vogel- und Naturschützern sich zuspitzen. Früher habe es einfach mehr Gelegenheit gegeben, diese zu lösen. "Wir werden mehr Akzeptanzprobleme bekommen", sagt Mono.

DER PROJEKTIERER



Jan Teut ist in die Branche so reingerutscht. Als er sein Studium beendet hatte, war der Markt für Ingenieure eng und so stieg er in das Geschäft mit erneuerbaren Energien ein, das sich gerade entwickelte. Teut fuhr durch Brandenburg, sprach mit Bauern und Bürgermeistern und suchte sich Flächen, die gepachtet oder gekauft werden konnten. Angesichts der garantierten Abnahmepreise für den Strom finanzierten die Banken seine Wind-Projekte günstig. Anfangs verkaufte Teut die fertigen Parks weiter, mittlerweile betreibt er Anlagen mit 50 Megawatt Leistung selbst, soviel wie ein kleines Kohlekraftwerk.

Im Norden von Berlin hat er ein altes Umspannwerk für Straßenbahnen saniert und beschäftigt 15 Mitarbeiter. Im Loft ganz oben wohnt er selbst. "Wir kommen aus einer 20-jährigen Komfortzone", räumt er offen ein. "Wir haben gutes Geld verdient." Auch die Ausschreibungen werden ihn nicht aus dem Markt drängen, glaubt er. Er habe immer mehrere Projekte am Laufen und könne es verkraften, mal nicht zum Zuge zu kommen. Zudem sei er in den Region verankert, kenne die Menschen und die attraktiven Flächen rund um Berlin. Allerdings rechnet Teut damit, dass jetzt Schwergewichte aktiv werden, die Töchter etwa von RWE, EnBW oder E.ON selbst, die alle ihre Chancen witterten. "Es wird so sein, dass die Großen über die Angebote Druck machen. Sie wollen auf jeden Fall in den Markt."

Dazu kommt: Im Norden sind die Netze mit dem Windstrom schon an der Belastungsgrenze. Der Bund wird daher über die Ausschreibungen den Ausbau dort bremsen und teils in den Süden umleiten. Teut ist somit vorsichtig: Fünf Windparks hat er vorbereitet und möchte alle noch 2016 verwirklichen - also unter dem alten Regime ohne Ausschreibungen. "Die Renditen werden kleiner und die Banken verlangen mehr", sagt er für die Zeit ab 2017 voraus. Die Zeiten, wo Projektierer als Pacht für Flächen bis zu zehn Prozent des Jahresertrags eines Windrads zahlten, seien vorbei. Das konnten schon an einem durchschnittlichen Standort um die 50.000 Euro sein. Und auch er glaubt, dass der Zeitdruck für den Bau Folgen hat: "Da werden Legionen von Rechtsanwälten unterwegs sein. Banken werden schon vorher wissen wollen, wie hoch das Risiko von Klagen dagegen ist." Aber ein Ende des Windenergie-Ausbaus sieht er nicht: "Es gibt ja in der Niedrigzinsphase für Banken, Versicherungen und Unternehmen kaum noch sichere Projekte, die Rendite bringen."

Auf Seite 3: Die Banken und die Industrie



DIE BANKEN



Die Bremer Landesbank ist schon wegen ihres Standorts traditionell einer der großen Finanzierer des Wind-Booms. Seit 1991 hat sie 500 Projekte umgesetzt, von einem einzelnen Windrad bis hin zu Anlagen im Wert von 100 Millionen Euro. Das neue Gesetz wertet sie als Ausbaubremse. Da alte Windparks zunehmend abgerissen würden, könne es nach 2022 unter dem Strich gar keinen Ausbau mehr geben, befürchtet Hartmut Kluge, der für die Windprojekte verantwortlich ist. Vieles werde sich durch die Ausschreibungen ändern: "Die gesamte Wertschöpfungskette kommt unter Druck." Das treffe auch die Banken. "Das Geschäftsmodell wird sich reduzieren." Die Zeiten, wo Banken ein Projekt mit Blick auf die Staatsgarantien komplett finanzierten, seien vorbei. 20 Prozent Eigenkapital müssten künftig schon mitgebracht werden. Und er teilt die Einschätzung von Projektierer Teut, dass die Gerichte noch mehr Arbeit bekommen: "Die Klage gegen Windparks als Geschäftsmodell - das ist meine Befürchtung." Allerdings wolle die Bank nicht, dass kleinere Akteure nun aus der Energiewende aussteigen. Um sie werde man sich weiter kümmern: "Damit die nicht Selbstmord aus Angst vor dem Tod begehen."

Derzeit sei die Konkurrenz unter den Finanzierern besonders groß, da alle am Schluss-Boom vor den Ausschreibungen mitverdienen wollten. Langfristig blieben aber die im Geschäft, die hier schon jahrzehntelange Erfahrung hätten, glaubt Kluge. Dazu gehört auch die Umweltbank, die sich vor allem um kleinere Projekte unter zehn Millionen Euro kümmert. In diesem Segment konnte die Bank zuletzt ihren Marktanteil deutlich ausweiten, weil eine Reihe Mitbewerber ausgeschieden seien. "Es gibt einen Trend zu Größe und Konzentration", erwartet auch Projektleiter André Hückstädt. "Aber die Margen werden für alle knapper. Da gibt es knallharte Konkurrenz der Kapitalgeber." Die Zinssätze bei manchen Projekten liegen um die ein Prozent. Die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank zeigt sich auch hier. "Ich frage mich manchmal, wenn einer viel günstiger anbietet, wie die das stemmen können", sagt Hückstädt. Andererseits: "Immer noch besser als Negativzinsen für geparktes Geld zahlen zu müssen."

DIE INDUSTRIE



Johannes Schiel sitzt in seinem Büro hoch über den Dächern von Berlin, umgeben von Dutzenden von Windrad-Modellen. Der Maschinenbau-Verband VDMA hat eine eigene Windsparte, denn Siemens, Nordex oder Senvion sind weltweit groß im Geschäft. Rund zehn Milliarden Euro setzen sie jährlich um, mit rund einem Drittel davon ist Deutschland der stärkste Markt. Im letzten Jahr wurden rund 1300 Windräder errichtet, jedes von ihnen erreicht mittlerweile meist die Höhe des Kölner Doms.

Schiel erwartet erst mal, dass das im verschärften Tempo so weitergeht: "Wir werden einen Boom bis zum Oktober nächsten Jahres haben", sagt er voraus. Die meisten würden versuchen, ihre Windparks noch 2016 hochzuziehen. Wer eine Genehmigung hat, darf auch noch 2017 ohne Ausschreibungen bauen - wenn auch zu schlechteren Konditionen. Danach werde es anders: "Der Druck zu Kostensenkungen wird steigen." Niemand wisse genau, wie stark die Subventionen die garantierten Abnahmepreise nach einer Auktion bei Windparks an Land sinken würden. Die Schätzungen gehen von um die 15 Prozent aus. Das werde alle in der Branche treffen. "Es ist aber nicht so dramatisch, das wir uns existenzielle Sorgen um die Hersteller machen müssen."

Die Unternehmen stellen sich jedoch darauf ein und schließen neue Allianzen: Der US-Konzern General Electric und der Groß-Projektierer Juwi haben gerade einen Rahmenvertrag über 110 Windräder und deren Wartung geschlossen - und begründen das mit den Gesetzesneuregelungen "Das Gesamtpaket ist mit Blick auf die Ausschreibungswelt absolut konkurrenzfähig", sagte Juwi-Einkaufsleiter Maximilian Nowak.

Auf Seite 4: Die Solarbranche und die Ökostrom-Anbieter





DIE SOLARBRANCHE



"Wir sind die Versuchskaninchen gewesen", sagt Carsten Körnig, Geschäftsführer des Solarverbands BSW. Pilot-Ausschreibungen hatte es schon im letzten Jahr für Freiflächen-Anlagen gegeben. Für die Branche war das ein Erfolg. Vor allem deshalb, weil sie auf der Intensivstation lag. Die staatlichen Garantiepreise waren nach einem beispiellosen Boom, bei dem zeitweise die Hälfte der weltweit produzierten Solarmodule in Deutschland verschraubt wurden, drastisch zusammengestrichen worden. So weit, dass auf Freiflächen gar nichts mehr entstand und auf Hausdächern nur noch, wenn der Strom zumindest teilweise selbst verbraucht wurde. Weil der Strom vom eigenen Dach billiger war als der gekaufte. Deutsche Solarfirmen brachen reihenweise zusammen, die asiatische Konkurrenz übernahm den verbliebenen Markt. Jetzt wird es für Klein-Anlagen auf Dächern, die von den Ausschreibungen ausgenommen sind, wohl sogar erstmals wieder eine Erhöhung der Subventionen geben.

Die Ausschreibungen bei den großen Solarparks funktionierten, sagt Körnig. Auch wenn erst rund ein Drittel der Anlagen wirklich gebaut worden seien. Das liege daran, dass derzeit die Modulpreise fielen und die Projektierer daher mit dem Bau bis zur letzten Minute der rund zweijährigen Frist warteten. Allerdings werden nur 600 Megawatt an Solarparks ausgeschrieben, während die Regierung ja jährlich 2500 Megawatt neue Solarleistung wolle. Der Rest sollte auf Dächern gebaut werden. Dafür müsste die Speichertechnik vorankommen, sagt Körnig. Zwar werde mittlerweile jede zweite Dachanlage mit Batterie verkauft, um den Strom gleichmäßig nutzen zu können. Das reiche jedoch nicht. Der Markt für Freiflächen-Kraftwerke werde wohl zwischen einer überschaubaren Firmenzahl aufgeteilt. Denn die Privilegien für Genossenschaffen gelten nur für Wind. "Eine Anbietervielfalt wird es nicht geben, ein oder zwei Handvoll Akteure, mehr werden es auf Dauer nicht."

DER ÖKOSTROM-ANBIETER



Oliver Hummel, Geschäftsführer vom Ökostrom-Lieferant "Naturstrom", wollte einer dieser Anbieter sein. Für ein Projekt in Südbrandenburg hatte "Naturstrom" eine Ausschreibung gewonnen. Dann gab es aber Ärger mit der Gemeinde und das Vorhaben platzte. "Wir haben mehrere Projekte, da ist das zu noch zu verkraften", sagte er. Jetzt überlegt auch Naturstrom, ob Projekte mit Bürgergenossenschaften zustande kommen könnten, die ihnen besonders nah stehen.

Eigentlich war ja Teil des Naturstrom-Geschäftsmodells, den Ökostrom direkt von der Anlage zum Verbraucher zu bringen. Der sollte wissen, dass die Energie praktisch vor seiner Haustür erzeugt wird. Für diese Marktnische gab es sogar staatliche Vergünstigungen, doch das ist vorbei. Ökostrom muss fortan zentral ins Netz gespeist und auch komplett von den Netzbetreibern vermarktet werden. Erschwerend kommt hinzu, dass der Fukushima-Effekt nicht mehr zu spüren ist. Nach der Katastrophe in Japan waren viele Deutsche gezielt zu den kleineren Ökostrom-Anbietern gewechselt und hatten ihnen Auftrieb gegeben. "Alles geht nun aber in Richtung größer und zentraler", sagt Hummel. Den einstigen Treibern der Energiewende bleibe nur noch eine Nische.