Die Sanktionen des Westens im Zuge des Ukraine-Konflikts zeigen also Wirkung. Der Ölpreis ist zudem innerhalb eines halben Jahres um 30 Prozent abgestürzt und hat ein großes Loch in die Kasse des Rohstoff-Riesen gerissen. Die Steuereinnahmen werden 2015 laut Finanzminister Anton Siluanow um umgerechnet knapp 146 Milliarden Euro zurückgehen. Die Hälfte davon ist auf schwindende Erlöse aus dem Geschäft mit Öl und Gas zurückzuführen. Staatschef Wladimir Putin hat reagiert und die Gehälter der Kreml-Beamten für nächstes Jahr eingefroren. Doch das wird nicht reichen. Experten warnen, dass er auch Investitionen in die marode Infrastruktur aufschieben und damit Zukunftschancen verspielen wird. Zugleich schielt Putin auf seine Wiederwahl 2018 und dürfte daher zwei heilige Kühe kaum antasten: Den Rüstungs- und Sozialetat.
Dabei sind dies genau die Bereiche, die sich laut Experten am ehesten für Kürzungen eignen würden: "Mit Blick auf die politische Situation wird sich an den Prioritäten bei Wehrausgaben und dem Sozialetat sehr wahrscheinlich kaum etwas ändern", meint die Chef-Ökonomin Julia Zepleawa von der Sberbank. Dahinter könnte die Furcht stehen, dass es zu sozialen Unruhen komme. Einen Vorgeschmack lieferten die jüngsten Einsparungen im Gesundheitswesen, gegen die Tausende Beschäftigte auf die Straßen gingen. Der Präsident steht zudem bei seinen Wählern im Wort, die Bezüge der Bediensteten im öffentlichen Dienst aufzubessern und Russlands Verteidigungskraft zu stärken. Der Wehr-Etat soll nach bisherigen Planungen nächstes Jahr um 30 Prozent aufgestockt werden.
Der Westen wirft Moskau vor, die pro-russischen Separatisten im Osten der Ukraine zu unterstützen und den Nachbarn damit zu destabilisieren. Doch Putin setzt trotz der negativen wirtschaftlichen Folgen der Sanktionen für sein Land weiter auf militärisches Muskelspiel: Die Verteidigungsausgaben dürften 2015 insgesamt 4,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmachen, das ist ein höherer Anteil als in den USA und mehr als das Doppelte dessen, was in Europa üblich ist. Kürzungen im Wehretat könnten Putin als Schwäche ausgelegt werden, befürchten die Berater im Kreml.
Doch der vor zwei Wochen vom Parlament beschlossene Drei-Jahres-Etat steht auf tönernen Füßen: Darin wird ein Ölpreis von 100 Dollar pro Fass für den Zeitraum 2015 bis 2017 veranschlagt. Derzeit liegt er bei 70 Dollar. Und die Regierung veranschlagt einen Preis von 80 Dollar im nächsten Jahr. Zudem wird mit einem Konjunkturrückgang um 0,8 Prozent gerechnet. Das Wort Rezession will Putins Wirtschaftsberater Andrej Belussow dennoch nicht in den Mund nehmen.
Experten gehen davon aus, dass Russland nun bei langfristigen Investitionen den Rotstift ansetzt. In schwierigen Zeiten gehe es traditionell um Kürzungen bei Straßen und sonstigen Verkehrsinfrastrukturprojekten, meint Igor Nikolajew vom Moskauer Beratungshaus FBK. Doch dies sei eine kurzsichtige Strategie, da es mit Blick auf Folgewirkungen für die Wirtschaft gut angelegtes Geld sei. Russland steht zugleich noch ein Prestigeprojekt ins Haus: Die Fußball-WM 2018. Allein dafür sind Kosten von mehr als zehn Milliarden Euro veranschlagt - die Hälfte davon aus dem Budget der Russischen Föderation.
Reuters