Am meisten hat S & T-Chef Hannes Niederhauser nicht das Kursziel von sechs Euro geärgert, sondern der Vorwurf, kein Technologiekonzern zu sein. Die Anschuldigung stammt von The Analyst, einem Researchhaus, das die Österreicher für massiv überbewertet hält. Die Briten stellen die Frage, wie S & T zu bewerten ist: Als Softwareanbieter für das Internet of Things (IoT) oder als niedrigmargiges Systemhaus. Letztere Sichtweise vertritt The Analyst in seinem am 28. September versendeten Report und ließ die Aktie damit in der Spitze fast 24 Prozent einbrechen. Die Vorwürfe starten bei einer intransparenten Firmenstruktur und enden bei zu hoch dargestellten Kennzahlen.

Tatsächlich besitzt S & T einige Angriffsflächen. Der SDAX-Konzern hat 78 Firmentöchter, besetzt eher IoT-Nischen statt Massenmärkte und will den Umsatz bis 2023 auf zwei Milliarden Euro mehr als verdoppeln. Die Hälfte des Wachstums soll dabei aus Übernahmen stammen und ein immer stärkeres Softwaregeschäft soll die Margen treiben. Diese Aussicht ist ein wichtiges Argument für die Aktie, denn noch werden über 40 Prozent der Umsätze mit IT-Dienstleistungen erzielt.

Abgeschminkte Bilanzkosmetik


Betrug wirft The Analyst dem Unternehmen aber nicht vor. Kritisiert wird, dass klassische Kennzahlen wie das Ebitda bei S & T zu kurz griffen. Kombiniert mit Spielräumen in den Bilanzierungsregeln würden die Ebit-Marge, der Cashflow und die Verschuldung ein falsches Bild des Konzerns zeichnen. Laut den Briten liegt die operative Gewinnspanne nicht bei gut fünf, sondern eher bei zwei Prozent, während der Cashflow negativ sei und die Bilanz nicht rund 30 Millionen Euro Netto-Cash, sondern 202 Millionen Euro Nettoschulden aufweise. Zu den Werten gelangt das Research-Haus, indem die Kennzahlen etwa um sonstige Erträge, aufgelöste Rückstellungen oder Übernahmeeffekte bereinigt werden. So werden etwa vom Ebit 2019 in Summe 37 Millionen Euro abgezogen.

Wie unterschiedlich sich Zahlen interpretieren lassen, zeigt die Nettoverschuldung. S & T weist dazu den Saldo aus liquiden Mitteln abzüglich lang- und kurzfristiger Verbindlichkeiten aus. Eine Definition, die seitens der Analysten von Warburg oder Hauck & Aufhäuser nicht geteilt wird. Sie kommen - je nach den weiteren einbezogenen Bilanzposten - auf Nettoschulden von 41 und 91 Millionen Euro. Ohne über Sinn oder Unsinn von IFRS-Zahlen streiten zu wollen, greift S & T die Sichtweise von The Analyst in einer Stellungnahme auf und stellt den Bereinigungen eigene Berechnungen gegenüber. Die Österreicher liefern in wesentlichen Punkten schlüssige Argumente für deutlich niedrigere Abzüge. Bei der Ebit-Marge weichen die neuen Zahlen anschließend kaum noch von den Originalwerten ab.

Doch ob unbereinigt oder nicht, in Sachen Cashflow trifft The Analyst einen wahren Kern. 2017 wurde nur jeder dritte Euro des Ebitda in freien Cashflow verwandelt. Ein Punkt, den S & T neben anderen selbstkritisch einräumt. Seit Mitte 2019 wird daher an der Cash Conversion, der Kennzahl für die Kapitalbindungsdauer, gearbeitet. 2019 fand sich immerhin jeder zweite Euro des operativen Ergebnisses im Free Cashflow wieder, während Niederhauser eine Konvertierungsquote von 70 bis 80 Prozent anpeilt.