Das österreichische IT-Unternehmen S&T hat auf die massiven Vorwürfen des Leerverkäufers Fraser Perring und seiner Analysefirma Viceroy Research reagiert: Die Wirtschaftsprüfer von Deloitte sollen unabhängig prüfen, ob bei S&T Rechtsverstöße vorliegen. Außerdem beruft der Aufsichtsrat einen unabhängigen Experten in den Vorstand, der künftig über die Einhaltung der Corporate-Governance-Regeln wachen soll. Viceroy Research hatte S&T unter anderem vorgeworfen, in außerbilanziellen Gesellschaften betrügerische Machenschaften zu verbergen. Der S&T-Kurs war daraufhin um ein Drittel eingebrochen. Im Interview weist S&T-Chef Hannes Niederhauser die Vorwürfe zurück - am umstrittenen Geschäftsmodell will er aber nichts ändern. .

Boerse-online.de: Herr Niederhauser, haben Sie inzwischen Kontakt mit Fraser Perring aufnehmen können?
Hannes Niederhauser: Nein. Ein Gespräch hätte sicher einiges aufklären können.

Stattdessen haben Sie jetzt mit einer schriftlichen 13seitigen Erwiderung auf die Vorwürfe von Viceroy Research reagiert. Darin werfen Sie Viceroy falsche Behauptungen vor, die zu dem massiven Kurseinbruch bei S&T geführt hätten. Prüfen Sie auch rechtliche Schritte gegen Viceroy?
Grundsätzlich sind wir der Ansicht, dass jeder Marktteilnehmer ein Recht auf freie Meinungsäußerung innerhalb der gesetzlichen Grenzen hat. Die Bewertung der einzelnen Positionen unterliegt, was die Kursentwicklung angeht, dem Kapitalmarkt und, was die rechtliche Seite betrifft, den Behörden. Sollte es Anhaltspunkte für marktmanipulatives Verhalten geben, gehen wir davon aus, dass die Finanzaufsicht Bafin beziehungsweise die zuständige Staatsanwaltschaft entsprechend einschreiten werden. Unser primäres Ziel ist es, die Vorwürfe des Shortsellers zu widerlegen. Um auch die allerletzten Zweifel in der öffentlichen Wahrnehmung zu beseitigen, haben wir uns darüber hinaus entschieden, die Vorwürfe durch einen unabhängigen Prüfer, Deloitte, untersuchen zu lassen.

Als Reaktion auf die Viceroy-Vorwürfe wollen Sie einen unabhängigen Compliance-Experten (CCO) in den Vorstand berufen. Welche Befugnisse hat er, wenn er bei der Einhaltung von Gesetzen und den Grundsätzen guter Unternehmensführung auf Defizite stößt?
Zunächst möchte ich festhalten, dass S&T sich in vollem Umfang an geltende Gesetzte hält und wir uns auch in Sachen Unternehmensführung nichts vorzuhalten haben. Zur Stärkung des Vertrauens in S&T am Kapitalmarkt haben wir uns gemeinsam mit dem Aufsichtsrat entschieden, die Position des Chief Compliance Officers (CCO) zu schaffen. Zum einen soll der neue CCO die Aufarbeitung der aus unserer Sicht unbegründeten Vorwürfe koordinieren und zum anderen die Weiterentwicklung der Prozesse in der S&T Gruppe vorantreiben. In dieser Vorstandsposition werden zukünftig die Themen Recht, Compliance, Corporate Governance gebündelt sein.

Sie haben als Reaktion auf Viceroy-Vorwürfe bereits eine weitere Vereinfachung der Unternehmensstruktur angekündigt, auch der Verkauf des IT-Geschäfts werde geprüft. Wie weit sind Sie mit diesen Maßnahmen, und was ist darüber hinaus geplant?
Die von uns beauftragte Due Dilligence wird von PWC durchgeführt und läuft nach Plan. Wir erwarten bis zum zweiten Quartal 2022 eine Entscheidung für oder gegen den Verkauf des IT-Services Geschäfts. Sollte es zu einer Veräußerung kommen, resultieren daraus sicher auch Veränderungen im Management.

Ändern Sie als Reaktion auf die Vorwürfe auch ihre Akquisitionsstrategie?
An unserer Strategie , Unternehmen, deren technologisches Knowhow gut zur S&T Gruppe passt, zu attraktiven Konditionen zu erwerben diese anschließend in die Konzernstruktur zu intergieren und damit Synergien zu heben, ändert sich nichts. Auch nutzen wir weiterhin Akquisitionen kleinerer Unternehmen, um leistungsstarke Ingenieurteams zu rekrutieren.

Und was hat sich geändert?
Bereits seit Herbst 2020 haben wir unsere Akquisitionsaktivitäten in rechtlich unsicheren Regionen eingestellt. Wir haben zudem damit begonnen, unser Engagement in einigen Ländern, beispielsweise in Moldawien und Weißrussland, zu reduzieren und uns perspektivisch gänzlich aus diesen Ländern zurückzuziehen. Unsere Umsätze in diesen Regionen - und diese Zahl veröffentlichen wir im Sinne unseres Transparenzprogrammes TTS quartalsweise - macht bereits heute einen sehr geringen Anteil unseres Geschäfts aus, in etwa fünf Prozent der Umsätze.

Wie würden Sie das künftige Geschäftsmodell in Kürze beschreiben?
Da wir unsere grundlegende Unternehmensstrategie nicht ändern, ergeben sich auch keine Änderungen des Geschäftsmodells. S&T ist und bleibt einer der führenden Anbieter im Bereich industrielle Digitalisierung (IOT). Unsere Software- und Hardwarelösungen steuern und kontrollieren Produktionsmaschinen, Roboter, Züge, Flugzeuge und medizinische Geräte. Mit dem Mobilfunkstandard 5G wird sich die Vernetzung von Maschinen noch schneller entwickeln, ein interessantes Geschäftsfeld für S&T in der Zukunft.

Viceroy/Perring war einer der ersten, der das Geschäftsmodell von Wirecard in Frage gestellt hat. Bei der Leasingfirma Grenke musste letztendlich die Vorstandschefin gehen. Was unterscheidet S&T Ihrer Meinung nach von den Fällen Grenke und Wirecard?
Zunächst möchte ich mich hier nicht zu den Vorwürfen gegen andere Unternehmen äußern, ohne diese Unternehmen ganz genau zu kennen. Grundsätzlich kann man S&T mit den genannten Unternehmen und ihren Geschäftsmodellen nicht vergleichen. Es handelt sich um andere Industrien und auch die Vorwürfe sind sehr verschieden. Ich kann nur noch einmal betonen, dass wir die Vorwürfe gegen uns, wie in unserer ausführlichen Stellungnahme ersichtlich, als unbegründet betrachten. Unser Ziel ist es, technologisch führende Produkte für unser Kunden zu entwickeln und dabei Wert für unsere Aktionäre zu schaffen. Das haben wir in den letzten zehn Jahren geschafft und werden das auch in den kommenden Jahren tun.