Die Erfolgsgeschichte der Warburgs, heute die älteste, ununterbrochen im Bankgeschäft tätige Familie der Welt, begann eigentlich mit dem Pfand- und Geldleiher Gumprich Marcus Warburg, dessen Vorfahren 1668 aus der westfälischen Hansestadt Warburg nach Altona gezogen waren. Sie behielten den Zusatz "Warburg" im Namen: Deutsche Juden durften zu jener Zeit keine Nachnamen tragen, viele benannten sich deshalb nach ihrem Heimatort. Das provinzielle Altona, das damals noch zu Dänemark gehörte, bot den Juden größere Freiheiten als die Handelsmetropole Hamburg. Trotzdem verlegte Gumprich Warburg 1773 seinen Wohnsitz nach Hamburg. Juden waren dort zwar nur geduldet, aber in dem unabhängigen und kosmopolitischen Stadtstaat blühte die Wirtschaft. Europas Reichtum floss durch den Hamburger Hafen, die Stadt hatte eine eigene Handelsflotte und ein eigenes Militär, und auch die Börse florierte.

Warburg hatte es zu einem bescheidenen Wohlstand gebracht, den er an seine beiden Söhne Moses Marcus und Gerson weitergab, die das Pfand- und Geldleihegeschäft zum heute noch bestehenden Bankhaus M. M. Warburg & Co gemacht hatten. Die beiden Söhne waren sehr unterschiedlich und lebten in einem permanenten Konkurrenzkampf. Trotz ihrer Rivalitäten entwickelten sich ihre Geschäfte aber bestens.

Gerson starb 1825 im Alter von 60 Jahren. Und Moses Marcus hatte keinen Sohn, der als neuer Teilhaber der Bank in Betracht kam. "Der Kreis geeigneter Kandidaten war klein - die meisten Juden waren zu arm, und ein Christ kam nicht infrage", schrieb der "Spiegel". Moses Marcus’ hübsche und von allen umschwärmte Tochter Sara, die den Dichter Heinrich Heine zu seinem berühmten, von Schumann vertonten Gedicht "Ein Jüngling liebt ein Mädchen" inspiriert hatte, wurde deshalb 1829 in einer von den Eltern arrangierten Ehe mit "Aby" Samuel Warburg verheiratet, einem Cousin zweiten Grades. Aby wurde nun der neue Teilhaber.

Er war für Sara Warburg mit Sicherheit kein Traummann - klein, seltsam krumm gewachsen und von Gelbsucht gezeichnet. Aber er hatte ein Talent für Geldgeschäfte und war bei den Kunden der Bank beliebt.

Sara Warburg flüchtete sich in eine verbissene Frömmigkeit und wurde im Vorstand zahlreicher jüdischer Wohltätigkeitseinrichtungen tätig. Und sie mischte sich aktiv in das Management der Bank ein. Ihr Mann musste ihr jeden Abend die Bücher vorlegen, wichtige Entscheidungen traf sie selbst.

Das Paar bekam in kurzen Zeitabständen vier Töchter und zwei Söhne. Für die Erziehung war Sara Warburg zuständig. Sie bestand darauf, von ihren Kindern gesiezt zu werden. Auch die Ehen für die Kinder arrangierte sie - die wirtschaftlichen Interessen der Familie standen dabei im Vordergrund. Siegmund Warburg, der älteste Sohn, ehelichte die aus Kiew stammende Théophilie Rosenberg, die Tochter eines reichen russischen Großgrundbesitzers, die eine große Mitgift in die Ehe einbrachte, von der zwei Drittel dem Bankhaus zufließen mussten.

Théophilie Rosenberg pflegte einen aristokratischen, französisch geprägten Lebensstil, der bei den Damen der hanseatischen Gesellschaft nicht gut ankam - auch nicht bei ihrer Schwägerin Charlotte Oppenheim, die mit Moritz Warburg verheiratet worden war. Charlotte stammte aus einer besonders frommen, wohlhabenden und sehr gebildeten Frankfurter Familie.

Eine gute Partie machte auch Sara Warburgs Tochter Rosa. Sie heiratete Paul Schiff, einen der Direktoren der von Albert Salomon Anselm von Rothschild geleiteten Wiener Creditanstalt. Diese Verbindung sollte fünf Jahre später für die Familie Warburg noch sehr wichtig werden.

Spektakuläre Rettungsaktion

Sara Warburgs Ehemann starb bereits mit 58 Jahren. Die Matriarchin übernahm das Management der Bank. Ihren ältesten Sohn Siegmund ließ sie vorzeitig für mündig erklären, ernannte ihn zum Generalbevollmächtigten und umging so die gesetzlichen Auflagen.

Die Bewährungsprobe überstand Sara Warburg während der internationalen Bankenkrise von 1857, die als eine der ersten Weltwirtschaftskrisen gilt. Sie begann am 24. August 1857 in New York, als die Bank Ohio Life Insurance Company ihre Zahlungen einstellen musste. Von dort breitete sich die Krise mit hoher Geschwindigkeit über die gesamte Welt aus. Die Panik an den Börsen schwappte bis nach Hamburg, ein Knotenpunkt des internationalen Warenhandels. Hamburger Kaufleute hatten sich damals stark in spekulativen Warengeschäften engagiert, die sie mittels Wechseln finanzierten.

"Bank- und Handelshäusern ging das Geld aus, Termingeschäfte platzten, im Hafen lagen Waren im Wert von Hunderten Millionen Mark, die niemand bezahlen konnte" und "vergebens bemühte sich der Senat um Anleihen aus anderen Städten und im Ausland - der Hamburger Wirtschaft drohte der Kollaps", schrieb der "Spiegel".

Der Hamburger Rat hatte es zunächst abgelehnt, der Privatwirtschaft mit öffentlichen Mitteln unter die Arme zu greifen. Angesichts der zunehmenden Panik beschloss man dann aber doch, ein Konto über fünf Millionen Mark Banco zu eröffnen, auf dem Hamburger gegen Barzahlung Wechsel deponieren konnten.

Dass es nicht zum befürchteten Kollaps kam, verdankte die Stadt Sara Warburg. Sie konnte ihren Schwiegersohn Paul Schiff, den Leiter der Wiener Creditanstalt, überzeugen, eine Vermittlerrolle zwischen Österreich und der Hansestadt zu übernehmen und den österreichischen Kaiser um Hilfe zu bitten. Paul Schiff hatte Erfolg. Die Kämmerei wurde ermächtigt, eine Silberanleihe in Höhe von zehn Millionen Mark aufzunehmen. Am 15. Dezember 1857 traf in Hamburg ein Zug aus Wien mit 13 Waggons voller Silberbarren zur Absicherung der Rettungsdarlehen ein. Von diesem Geld profitierten vor allem acht große Hamburger Handelshäuser.

Die Wirtschaft Hamburgs erholte sich erstaunlich schnell. Bereits ein halbes Jahr später konnte die Stadt den Kredit zurückzahlen und das Silber nach Wien zurückschicken. Das Bankhaus Warburg hatte wegen dieser spektakulären Rettungsaktion in Hamburg stark an Ansehen gewonnen und wurde nun auch in die staatlichen Finanzgeschäfte einbezogen.

Sara Warburg zog sich 1865 in ein Haus an der Rothenbaumchaussee in Hamburg zurück, kümmerte sich aber nach wie vor um die Bankgeschäfte. Nach 200 Jahren in der Stadt war die Familie Warburg ganz oben angekommen.