Wie so oft in der Politik wirkt dies wie kommunizierende Röhren: Ist die eine Seite zufrieden, könnte dies bei anderen drastische Schritte auslösen. Ein Überblick:

1. CDU STELLT MINISTERPRÄSIDENT - SCHWARZ-GRÜN


Sollte Volker Bouffier Ministerpräsident einer schwarz-grünen Koalition bleiben, wären die Auswirkungen bei der Union wohl am geringsten. Dann könnten Bouffier und Kanzlerin Angela Merkel betonen, dass der Kurs einer Öffnung der CDU zu den Grünen richtig war - trotz der erwarteten erheblichen Verluste. Ob dies die SPD im Bund destabilisieren würde, dürfte vom Wahlergebnis der Sozialdemokraten abhängen: Bei einem Ergebnis über 20 Prozent gäbe es zwar Enttäuschung, aber Hessen könnte als Beweis dienen, dass der SPD doch keine generelle Marginalisierung droht. Dennoch dürfte der Druck auf die SPD-Spitze nach Veränderung steigen, was die Labilität der großen Koalition in Berlin noch verstärken könnte.

Eine Untervariante dieses Szenarios wäre, wenn Schwarz-Grün noch die FDP mit an Bord holen müsste - was aber die bundespolitischen Auswirkungen nicht groß verändern würde.

2. CDU STELLT MINISTERPRÄSIDENT - SCHWARZ-ROT


Die aus Sicht der großen Koalition derzeit möglicherweise beste Konstellation wäre die Bildung einer Regierung aus CDU und SPD. Das wäre zwar voraussichtlich eine Koalition der Verlierer, für die es zudem in den Umfragen derzeit keine Mehrheit gäbe. Doch die Union wäre beruhigt, dass sie nicht einen weiteren Ministerpräsidentenposten verliert. Fraglich wäre, ob die SPD dies mittrüge. Sie ringt bereits auf Bundesebene damit, ob eine große Koalition die richtige strategische Aufstellung ist. Aber die Sozialdemokraten könnten in diesem Szenario zumindest als Trophäe eine weitere Regierungsbeteiligung vorweisen. Enttäuschung würde diese Variante bei den Grünen auslösen, die bereits in Bayern trotz starker Zuwächse nicht in die Regierung einrücken.

3. SPD STELLT MINISTERPRÄSIDENT MIT ROT-ROT-GRÜN


Sollte die SPD vor den Grünen ins Ziel gehen und Thorsten Schäfer-Gümbel Ministerpräsident werden, würde dies auch der SPD auf Bundesebene eine Atempause verschaffen. Die lange Leidensphase der letzten Wahlen wäre - wie bei der Niedersachsenwahl vor einem Jahr - zumindest unterbrochen. Unabhängig von der Frage, wie stabil ein Bündnis mit der Linkspartei in Hessen wäre, dürfte dieses Szenario gleichzeitig bei der CDU eine Debatte sowohl über den Kurs der Partei als auch CDU-Chefin Merkel auslösen. Der konservative Flügel könnte sich in seiner Einschätzung bestätigt fühlen, dass Schwarz-Grün für die CDU letztlich kein Erfolgsmodell ist - und Merkel der Partei keinen Auftrieb mehr gibt.

4. SPD STELLT MINISTERPRÄSIDENT - ROT-GRÜN-FDP


In der hessischen SPD wird auch mit der FDP als möglichem Partner in einem Dreier-Bündnis mit den Grünen geliebäugelt. Eine solche Ampel existiert im benachbarten Rheinland-Pfalz. Auch hier würde die SPD Auftrieb erfahren, was die Rolle der Sozialdemokraten im Bund stabilisieren würde - wenngleich sich die Sozialdemokraten auf innerparteiliche Kritik einstellen müssten, warum die Chance zu einer Normalisierung mit der Linkspartei nicht ergriffen würde. Die CDU wiederum würde in Diskussionen gestürzt - zumal sich dann gleich drei potenzielle Koalitionspartner der Union zusammenschließen würden.

5. GRÜNE STELLEN MINISTERPRÄSIDENTEN - GRÜN-ROT-ROT


Sollten die Grünen vor der SPD ins Ziel gehen, wäre die Verlockung für die Partei sehr groß, selbst eine Koalition anzuführen statt weiter mit der CDU als Juniorpartner zu regieren. Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir ist laut Umfragen der populärste Politiker in Hessen. Die Aussicht auf den zweiten Grünen-Ministerpräsidenten nach Baden-Württemberg könnte aus Sicht der Parteiführung auch das Risiko eines Bündnisses mit der Linkspartei rechtfertigen. Für die große Koalition wäre dieses Szenario eine doppelte Belastung: Die CDU müsste die Wunden lecken, dass sie in die Opposition abstürzt. Und die SPD müsste sich die Frage stellen, ob sie auf dem Weg ist, auch bundesweit hinter die Grünen zurückzufallen und nur noch die dritte oder gar vierte Geige zu spielen. Beides würde die Fliehkräfte in der großen Koalition in Berlin erheblich verstärken.

6. GRÜNE STELLEN MINISTERPRÄSIDENTEN - GRÜN-ROT-FDP


Auch diese Konstellation ist nicht ausgeschlossen, wenngleich sich FDP-Chef Christian Lindner bereits dagegen gewandt hat. Die Liberalen müssten sich überlegen, ob sie ihren verschiedenen Regierungsbeteiligungen in den Ländern eine weitere Variante hinzufügen wollen, die Grünen würden jubilieren. CDU und SPD allerdings würden vor ähnlich heftigen Debatten stehen wie im fünften Szenario.

rtr