Mit Siemens, Siemens Healthineers, Siemens Energy und Infineon (auch eine frühere Siemens-Abspaltung) starten im Februar gleich vier DAX-Konzerne aus dem Dunstkreis des Münchner Technologieimperiums in die Hauptversammlungs(HV)-Saison 2022.

Und das bedeutet: Auch in diesem Jahr finden die meisten Treffen der DAX-Konzerne wie in den beiden Vorjahren online statt. Die bisherige Corona-Sonderregelung läuft allerdings im August aus. Für danach bereitet das Bundesjustizministerium derzeit einen Gesetzentwurf vor. Die Vorgaben aus dem Koalitionsvertrag sind knapp und klingen salomonisch: "Wir ermöglichen dauerhaft Online-HV und wahren dabei die Aktionärsrechte uneingeschränkt."

Der Nachsatz hat seinen Grund. Nach der hastigen Einführung des Onlineformats vor zwei Jahren hatte es massive Kritik von Seiten der Aktionärsvertreter wie der Schutzvereinigung DSW, aber auch institutioneller Investoren wie der Fondsgesellschaft Union Investment gegeben, die einen massiven Verlust von Aktionärsrechten durch das Onlineformat beklagten. Die Möglichkeit von Live-Wortmeldungen und -Abstimmungen waren demnach eingeschränkt oder überhaupt nicht vorhanden, eine Diskussion kaum möglich, Anfechtungen von Beschlüssen ebenso wenig, weil man juristisches Neuland betrat. Nicht wenige Konzerne haben das zunächst als Erleichterung empfunden. Andererseits schätzten immer mehr Aktionäre die Vorzüge, die die virtuellen Treffen bieten, zum Beispiel wegfallender Fahraufwand. Längst ist den meisten Beteiligten aber auch klar, dass es für ein befriedigendes Onlineformat nicht ausreicht, eine Präsenz-HV einfach ins Internet zu verlegen.

Kaeser "auf Augenhöhe"


In diesem Umfeld hat die Nachrichtenagentur Reuters eine Umfrage unter DAX-Konzernen gestartet. Demnach wird das Thema gerade bei einigen neu bewertet. Zwar herrscht weiterhin verbreitet Skepsis gegenüber einer Rückkehr ins Präsenz-Format. Doch immer mehr Unternehmen sprechen sich inzwischen nicht mehr nur für eine ausschließliche Onlinelösung aus. "Eine rein virtuelle HV in Post-Corona-Zeiten sehen wir kritisch", heißt es etwa bei der Deutschen Post.

Auch Siemens-Energy-Aufsichtsratschef Joe Kaeser verweist auf den persönlichen Kontakt mit den Aktionären. "Der direkte Austausch auf Augenhöhe mit den Anteilseignern ist ein hohes Gut. Das Feedback - auch wenn es kritisch ist - ist ein enorm wichtiger Gradmesser für das Management." Kaeser hofft, dass 2023 "mit hoher Impfquote eine Präsenzveranstaltung hoffentlich wieder möglich wird". Auch Beiersdorf und Covestro präferieren der Reuters-Umfrage zufolge die Rückkehr zur Präsenz-HV.

Beim Chemiekonzern BASF will man am liebsten beide Formate unter einen Hut bringen. "Wenngleich wir eine gewisse Präferenz für Präsenzveranstaltungen haben, sind unsere Erfahrungen mit der virtuellen HV gut", heißt es in einer Stellungnahme aus Ludwigshafen. "Es wäre deshalb wünschenswert, wenn auch die Möglichkeit einer virtuellen HV dauerhaft gesetzlich vorgesehen würde."

Merck, MTU, Porsche und Conti setzen dagegen voll auf das Onlineformat. Symrise und Sartorius wiederum würden am liebsten die Aktionäre darüber entscheiden lassen. "Eine Pflicht-Rückkehr zur Präsenz-HV ist jedenfalls keine Lösung", sagte Sartorius-Chef Joachim Kreuzburg.