Nach dem beschlossenen Zwangsrauswurf der freien Postbank-Aktionäre ist die Enttäuschung groß. Wie sich betroffene Anleger gegen die Folgen wehren können. Von Stefan Rullkötter

Fit für die Börse 2.0." Das Motto, das Postbank-Chef Frank Strauß bei der Hauptversammlung am 28. August ausgegeben hat, muss den verbliebenen freien Aktionären wie Hohn vorkommen. Auf dem Aktionärstreffen wurde auf Initiative von Mehrheitseigner Deutsche Bank mit 99,6 Prozent der Stimmen beschlossen, sämtliche verbliebenen Kleinanleger aus dem Unternehmen zu drängen. Die Postbank wird wohl nur kurze Zeit nicht gelistet sein. Bereits 2016 soll das Geldinstitut erneut an die Börse gebracht werden.

Möglich macht den Rauswurf seit 2002 das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz: Hält der Hauptaktionär mehr als 95 Prozent des Grundkapitals, kann er von den restlichen Anteilseignern verlangen, ihm ihre Papiere gegen Abfindung zu verkaufen.

Nach dem Squeeze-out-Beschluss sollen Minderheitsaktionäre mit 35,05 Euro je Postbank-Aktie zwangsabgefunden werden. Bei rund sieben Millionen Anteilen im Streubesitz wird das die Deutsche Bank etwa 245 Millionen Euro kosten. Das Postbank-Papier war unmittelbar vor der HV um 36,70 Euro an der Börse gehandelt worden . Das "Aufgeld" zur gebotenen Barabfindung erklärt sich durch die vereinbarte Ausgleichszahlung von 1,66 Euro pro Anteil, die den freien Aktionären am ersten Werktag nach der HV überwiesen wurde.

"Herausgedrängten Anlegern sollte ein Bonus gewährt werden, wenn sie später die neuen Postbank-Aktien zeichnen", fordert Daniela Bergdolt, Vizepräsidentin der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Wer gegen den Zwangsrauswurf gestimmt hat, kann auch die Höhe der angebotenen Barabfindung überprüfen lassen. Betroffene Postbank-Aktionäre werden dazu voraussichtlich bald ein Spruchverfahren beim zuständigen Landgericht einleiten. "Von einem anlegerfreundlichen Urteil im Spruchverfahren profitieren alle freien Aktionäre - auch solche, die gar nicht selbst geklagt haben", erklärt der Frankfurter Rechtsanwalt Klaus Nieding.

Ein möglicher Ansatzpunkt: Das Pflichtangebot der Deutschen Bank lag um 3,7 Prozent unter dem Kurs des Börsenhandelstags, an dem die Squeeze-out-Pläne in Sachen Postbank publik gemacht wurden. Maßgeblich für den Preis war der nach Umsätzen gewichtete durchschnittliche Börsenkurs in den drei Monaten vor Bekanntgabe der Maßnahme, also der Zeitraum vom 27. Januar bis zum 26. April 2015.

Daneben gibt es noch einen weiteren Grund zu zweifeln, ob die Abfindung angemessen ist: "Auffällig ist der mit 7,52 Prozent nach Steuern sehr hohe Kapitalisierungszinssatz", sagt Rechtsanwältin Bergdolt. Sinkt dieser, steigt der Unternehmenswert - und damit auch die Barabfindung. Ein Ansatzpunkt, zu einem niedrigeren Kapitalisierungszins zu kommen, wäre etwa die Marktrisikoprämie. "Sie wurde hier nach einem Modell berechnet, das so nicht unumstritten ist und von Gerichten in Spruchverfahren bereits angezweifelt wurde", erklärt Rechtsexpertin Bergdolt.

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Großaktionäre spielen auf Zeit



So schön anlegerfreundliche Urteile im Spruchverfahren auch sein mögen - eine Garantie für schnelles Geld sind sie nicht. Der Mehrheitsaktionär kann gegen die Entscheidung des Landgerichts Beschwerde beim Oberlandesgericht einlegen. Bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung können danach mehrere Jahre vergehen. Und Firmenübernehmer haben kein großes Interesse, das Verfahren schnell hinter sich zu bringen - obwohl sie Nachzahlungsansprüche von ehemaligen Aktionären bereits seit dem Jahr 1994 verzinsen müssen.

Ob ein mögliches Spruchverfahren nach dem Postbank-Squeeze-out zugunsten der Kleinaktionäre ausgehen wird, bleibt ebenfalls abzuwarten: Der von der Deutschen Bank angebotene Abfindungskurs liegt höher als der von einem Wirtschaftsprüfer ermittelte anteilige Ertragswert der Postbank-Aktie. Zuletzt wurde die Postbank an der Börse noch mit rund acht Milliarden Euro bewertet. Branchenkenner gehen aber davon aus, dass das Geldinstitut bei einer möglichen Rückkehr an die Börse nur die Hälfte dieser Summe wert sein wird - die Deutsche Bank hatte vor sieben Jahren noch einen Kaufpreis von stolzen 6,6 Milliarden Euro bezahlt.