Geboren wurde Reinhold Würth 1935. Sein Vater, ein Landwirt und Winzer, hatte sich nach dem Kriegsende selbstständig gemacht und am Bahnhof der schwäbischen Kleinstadt Künzelsau eine Schraubenhandlung für das Schreiner- und Metallhandwerk eröffnet. Künzelsau lag damals in einer bäuerlich geprägten Gegend, die als Armenhaus galt.
Reinhold Würth war ein durchschnittlicher Schüler und "recht introvertiert". Bereits als Elfjähriger musste er im Geschäft mitarbeiten. Als er 14 Jahre alt war, meldete sein Vater ihn von der Oberrealschule ab und stellte ihn als zweiten Mitarbeiter in seinem Betrieb ein. "Der Kerle soll was schaffen und nicht auf der Schulbank rumrutschen", beschied der Vater. Gleichzeitig machte Reinhold bei ihm eine Lehre als Kaufmannsgehilfe und war bereits als 16-Jähriger mit dem Musterkoffer in den Handwerksbetrieben der Umgebung als Verkäufer bei den Kunden.

Als sein Vater überraschend mit 45 Jahren an einem Herzinfarkt starb, musste der 19-Jährige das Geschäft übernehmen. Die Zeiten waren hart. "Wenn ich früher auf Verkaufstouren unterwegs war, habe ich den Motor ausgeschaltet, wenn es den Berg runter ging, um 15 Pfennig Benzin zu sparen", erinnert er sich. "Das waren Zeiten, wo es tatsächlich darauf ankam, abends das Licht auszumachen."

"Ich komme von ganz unten", pflegt der Patriarch zu sagen. Heute ist er einer der erfolgreichsten Unternehmer der deutschen Wirtschaftsgeschichte. Und er gehört zu den zehn reichsten Deutschen. Auf die Frage, was ihm Reichtum bedeutet, sagt er: "Wenn man ihn hat, ist es gar nicht so spektakulär.
Während einer Geschäftsreise nach Friedrichshafen besuchte Würth, der religiös erzogen wurde, einen Gottesdienst. Dort fiel ihm eine junge schwarzhaarige Frau auf, die im Kirchenchor sang. "Innerhalb weniger Stunden war ich unsterblich in dich verliebt", schrieb Reinhold Würth später in einem Brief zum 75. Geburtstag an seine Frau. Ein halbes Jahr nach dieser ersten Begegnung heiratete das Paar. Carmen Würth war damals 19 und arbeitete als Chefsekretärin beim Automobilzulieferer ZF in Friedrichshafen.
Nach der Hochzeit unterstützte Carmen ihren Mann nach Kräften. Sie begleitete ihn auf den Verkaufstouren und bekochte zu Hause Geschäftspartner mit Gerichten wie Reisauflauf oder Dampfnudeln.

Es war die Zeit des deutschen Wirtschaftswunders, das Land war weitgehend zerstört, die Handwerker brauchten dringend Schrauben. Verkaufen sei damals kein großes Problem gewesen, gibt Würth zu. Das Unternehmen wuchs jedes Jahr fast zweistellig. Aber zu Beginn der Sechzigerjahre habe ihn der Chef der Volksbank in Künzelsau, bei der er einen Kredit über 10 000 Mark aufgenommen hatte, zu sich zitiert, erinnert sich Würth. "Er sagte mir, wenn ich das Konto noch mal überziehe, würde er es sperren." Dies sei für ihn ein "Schlüsselerlebnis" gewesen, er habe aus dieser Erfahrung eines der Grundprinzipien seiner Firma formuliert: Wachstum ohne Gewinn ist tödlich! In den folgenden Jahrzehnten gelang es Würth, aus der kleinen Handelsfirma ein global agierendes Unternehmen zu machen, zum Weltmarktführer für Montage- und Befestigungsmaterial.

Er hatte eine Linienpiloten-Lizenz, saß über 40 Jahre lang selbst im Cockpit der Businessjets seines Unternehmens. Er ist Professor der Universität Karlsruhe, wurde mit Orden und Auszeichnungen, mit Ehrendoktor- und Ehrenbürgerwürden fast überhäuft und verfasste zudem meh- rere Managementbücher.

Über Kunst, Jachten und Gangster



Reinhold und Carmen Würth residieren in dem 1540 erbauten ehemaligen Jagdschloss Hermersberg bei Niedernhall, das sie für mehrere Millionen Euro renovieren ließen. Hier bauen sie auch ihren eigenen Wein an. Der Patriarch ist ein renommierter Kunstmäzen - ein kulturbeflissener Autodidakt, der gern zugibt, dass klassische Musik ihn zu Tränen rühren könne. Bereits als junger Mann fing er in den Sechzigerjahren an, Kunst zu kaufen. Heute umfasst seine Sammlung, die zu den bedeutendsten europäischen Privatsammlungen gehört, über 17 000 Werke. Darunter Arbeiten moderner Künstler wie Emil Nolde, Max Ernst, Georg Baselitz und Jörg Immendorff.

Der Glanzpunkt seiner Sammlung ist die "Schutzmantelmadonna" von Hans Holbein dem Jüngeren, die Würth 2011 für rund 50 Millionen Euro der Erbengemeinschaft des Prinzen Ludwig von Hessen abkaufte. Ihn hat die Geschichte dieses Gemäldes beeindruckt: "Holbein malte es, als in Basel die Reformation einzog. Er bekam keine Aufträge mehr, musste fliehen, nahm das Bild mit. Zum Glück. Man sagt, die Madonna sei das wichtigste Gemälde nördlich der Alpen", sagte er in einem Interview mit dem "Tagesspiegel".

Für Aufsehen und Kritik sorgte der Kauf seiner schätzungsweise 100 Millionen Euro teuren Luxusjacht, deren Auslieferung in eine Zeit fiel, in der er seinen Beschäftigten Kurzarbeit und Lohnkürzungen verordnet hatte. Die Jacht, die er auf den Namen "Vibrant Curiosity" taufen ließ, hatte er allerdings schon Jahre vorher bestellt, ihre Auslieferung zur Krisenzeit 2009 war ein Zufall. Außerdem sei die Jacht für ihn weniger Spielzeug als Geldanlage.

2006 war der Multimilliardär ins Visier der Steuerfahnder geraten. Es ging nicht um private Steuerhinterziehung, sondern um die Kostenverrechnungen zwischen inländischen und ausländischen Konzernteilen. Die Fahnder durchsuchten seine Büros, als er gerade bei der Kanzlerin war. Das Verfahren wurde 2008 gegen die Zahlung einer Geldstrafe von 3,5 Millionen Euro eingestellt. Mit der Geldstrafe blieben seinem Unternehmen langjährige Prozesse und Auseinandersetzungen in der Öffentlichkeit erspart. Würth: "Wenn ich noch jünger gewesen wäre, hätte ich mich vor Gericht gewehrt." Er gelte jetzt als vorbestraft, das belaste ihn maßlos: "Wenn ich morgens in den Spiegel schaue, sehe ich dort einen Gangster, einen Gauner, einen Ganoven, einen Steuerhinterzieher - das tut weh."

Reinhold Würth hatte sich schon früh Gedanken um die Nachfolge gemacht, um Erbstreitigkeiten zu vermeiden. Er wolle auch verhindern, dass die Enkel das Firmengeld für Ferraris verjubeln. Der Konzern gehört deshalb heute einer Familienstiftung. Seine Tochter Bettina ist Beiratsvorsitzende, seine andere Tochter Marion führt im Jagdschloss Hermersberg einen Demeter-Hof. "Die Mitarbeiter wissen: Wenn ich sterbe, passiert eigentlich gar nichts." Als seine wichtigste Aufgabe sieht er heute, die Arroganz vom Unternehmen fernzuhalten, sich nicht vom Erfolg korrumpieren zu lassen, dankbar zu sein. Das seien schließlich alles Gründe für den Erfolg seiner Firma.