Bald ist es überstanden: Das Jahr 2020, das für Spanien kaum schlimmer hätte sein können. Es war ein Multi-krisenjahr. Zuerst kam die Corona-Krise, dann die Wirtschaftskrise, parallel dazu lief die neueste Krise des Königshauses. Und schließlich gab es zuletzt Nachrichten, dass eine Gruppe pensionierter Militärs in Chatforen laut über einen Putsch gegen die Regierung nachgedacht hätten. Die Ex-Militärs werfen der Regierung vor, "die verfassungsmäßige Ordnung zu gefährden". Jetzt prüft das Verteidigungsministerium, ob sich die ehemaligen Offiziere strafbar gemacht haben.

Als ob man keine anderen Sorgen hätte in der Hauptstadt Madrid. 50 000 Einwohner sind mit Covid-Symptomen gestorben, nur Italien, Frankreich und das Vereinigte Königreich waren in Europa ähnlich stark betroffen. Die Pandemie hat dabei offengelegt, wie schlecht der spanische Föderalismus funktioniert: Von koordinierten Maßnahmen in den 17 Provinzen war kaum etwas zu sehen.

Spitzenplatz in der Eurozone

Das hat seinen Preis. Laut Prognosen des IWF wird die Konjunktur im laufenden Jahr um 12,8 Prozent sinken, stärker als jede andere Volkswirtschaft in der Eurozone. Inzwischen aber, und das macht Hoffnung, ist Spanien eines der Länder in Europa mit den wenigsten Neuinfektionen. Die zweite Welle kam zwar früh, sie scheint sich aber auch früher als anderswo wieder zurückzuziehen. Ein weiterer Hoffnungsschimmer: Das Bruttoinlandsprodukt wuchs im dritten Quartal um 16,7 Prozent - mehr, als die meisten Ökonomen erwartet hatten.

Auch der Regierungskoalition ist zuletzt viel gelungen: Die Rentenreform ist beispielsweise endlich auf den Weg gebracht. Und schließlich gelang Ministerpräsident Pedro Sánchez sein bisher größter Erfolg: Er brachte den Haushaltsplan durchs Parlament! Erstmals seit Juni 2018, dem Monat, als Mariano Rajoy und seine Rechtsregierung abgewählt wurden, also seit zweieinhalb Jahren, hat das Land wieder ein ordentliches Budget. Und die Mehrheit, die Sánchez bei dieser Abstimmung unterstützt hat, war größer als jene, die ihn einst ins Amt gehoben hatte.

Wie rasch das Land aber tatsächlich aus der Krise kommt, wird nun davon abhängen, ob die 140 Milliarden Euro aus dem europäischen Wiederaufbaufonds sinnvoll eingesetzt werden. In 30 Bereiche will Madrid investieren, beispielsweise in die Modernisierung des Gesundheitssystems. Außerdem will man in Bereichen wie Digitalisierung und "grüne Wirtschaft" 800 000 neue Jobs schaffen.

Comeback der Tourismus-Werte

An der Börse zeigt sich auch ein Hoffnungsschimmer. Seit Ende Oktober hat der Leitindex Ibex 35 deutlich aufgeholt. Gefragt waren vor allem Bankaktien, aber auch Werte, die von einer Erholung des Tourismus im Land profitieren. In den Sommermonaten war noch das Gegenteil der Fall: Der Ibex verlor an Boden, während überall sonst auf dem Globus die Kurse weiter nach oben kletterten.

Unabhängig davon ist von Spaniens Aktien der Telekomspezialist Cellnex Telecom spannend. Das Unternehmen sollte davon profitieren, dass der Bereich Telekommunikation immer stärker aufgetrennt wird. Zum einen in Anbieter von Infrastruktur und zum anderen in die Betreiber. Cellnex gehört zur ersten Kategorie und ist schon jetzt der führende unabhängige Betreiber für Mobilfunk-Infrastruktur in ganz Europa. Das Gesamtportfolio weist mehr als 60 000 Standorte in Spanien, Italien, den Niederlanden, Frankreich, der Schweiz, dem Vereinigten Königreich, Irland und Portugal aus. Zudem bietet Cellnex Lösungen für das Management intelligenter städtischer Infrastrukturen und Dienste an, also für das, was neudeutsch "Smart Cities" sowie "Internet der Dinge" genannt wird.

Groß in der Nische

Auch Viscofan bleibt für Anleger interessant. Das Unternehmen ist der weltweit größte Hersteller von Kunstdärmen. Die Hüllen für Lebensmittelprodukte werden in 13 Ländern produziert und in mehr als 100 Ländern weltweit vertrieben. Die Viscofan-Gruppe beschäftigt gut 4600 Mitarbeiter. Aktuell baut man die Produktpalette aus, um noch stärker auch den Vegetarier- und Veganer-Bereich mit Produkten bedienen zu können. Zudem wird Viscofan umweltbewusster: Zusammen mit anderen Herstellern hat man eine Mehrschicht-Folie für Fleischprodukte entwickelt, die mit recycelten Kunststoffen gefertigt wird.

Das Unternehmen bleibt deutlich auf Wachstumskurs. So wurde gerade bekannt, dass man vom japanischen Konzern Nitta Gelatin den ganzen Bereich "Kollagen-Hüllen" übernimmt. Kollagenprodukte werden vor allem in der Pharma-, Lebensmittel- und Industriebranche verwendet.