Heiße Temperaturen und kühle Drinks sind ein untrügliches Zeichen dafür, dass der Sommer begonnen hat. Besonders beliebt in lauen Nächten ist ein Tequila Sunrise. Während bei dem Cocktail die darin enthaltene ausgepresste Zitrone die Geschmacksnerven explodieren lässt, sorgt das aktienrechtliche "Hinausdrängen" unter Börsianern für Gefühls­ausbrüche. Denn der Squeeze-out ist oft ein lukratives Geschäft.

Zu diesem Abfindungsverfahren kann es kommen, sobald der Großaktionär 95 Prozent an einer AG besitzt. Dann gibt ihm das Gesetz die Möglichkeit, die Minderheitsaktionäre zur Abgabe ihrer Anteile zu zwingen. Jüngst ist dies bei Audi passiert. Dafür hat der Volkswagen-Konzern tief in die Tasche gegriffen und einen Aufschlag von knapp 50 Prozent auf die letzte Börsennotiz bezahlt.

Gewinnbringende Taktik


Da auch viele andere Firmen ihren Aktionären in der Vergangenheit den Abschied versüßt haben, lässt sich aus dem Squeeze-out eine lukrative Anlagestrategie stricken. Zumal ein Blick in die Historie zeigt, dass ein Nachschlag relativ wahrscheinlich ist. Das Risiko indes ist überschaubar. Denn das ursprüngliche Abfindungsangebot bleibt bestehen, sodass Anleger nach unten abgesichert sind. Sollte der Nachschlag nicht wie erwartet ausfallen, besteht mit dem Spruchstellenverfahren noch eine weitere Chance auf eine Zusatzrendite.

Squeeze-out-Kandidaten sind aber nicht nur angesichts ihrer hohen Renditechancen eine Bereicherung für das Depot. In der Regel zeigen diese Aktien eine deutlich geringere Volatilität. Das kann in schwierigen Marktphasen, wie sie derzeit anzutreffen sind, durchaus ein Vorteil sein. Wie stabil Papiere von beherrschten Unternehmen sein können, zeigt sich eindrucksvoll am Beispiel First Sensor.

Begünstigt wurde diese Entwicklung von dem im Frühjahr erwarteten Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag (BuG). Im April war es dann so weit, und Großaktionär TE Connectivity Sensors unterbreitete den freien Anteilseignern ein Abfindungsangebot von 33,27 Euro je Aktie. Damit hat sich das Warten bereits gelohnt, denn das sind knapp 18 Prozent mehr als bei der Übernahme im vergangenen Jahr. Hinzu kommt noch eine Garantiedividende von 56 Cent je Aktie. Die ist vor allem für jene Aktionäre wichtig, die das Angebot als zu niedrig erachten und auf ein Spruchstellenverfahren hoffen. Der aktuelle Aktienkurs zeigt, dass die Spekulation auf einen weiteren Nachschlag bereits in vollem Gange ist.

Noch keinen BuG geschlossen hat Adler Real Estate. Erst im April dieses Jahres hat ADO Properties den Deal mit einem Aktientausch in trockene Tücher gebracht. Derzeit notiert die Adler-Aktie etwas unter dem Angebotswert von 14,55 Euro am Tag vor der Bekanntgabe der Übernahme. Experten erwarten nun eine baldige Ankündigung eines BuG. Und da könnte noch etwas drin sein. Laut aktuellem Quartalsbericht von Adler beträgt der "Net Reinstatement Value" (früher Nettovermögenswert) 26,55 Euro pro Aktie. Für den Fall, dass sich ADO nicht "großzügig" zeigt, dürfte es schnell Beschwerden hageln.

Auch AMS hat die Akquisition von Osram Licht, wenn auch etwas holprig, über die Bühne gebracht und wird als nächsten Schritt einen BuG vorlegen. Die Aktie notiert derzeit im Bereich des Übernahmeangebots. Eine Wette auf eine Nachbesserung ist auch hier sinnvoll - vor allem vor dem Hintergrund, dass manche Marktteilnehmer eine Zerschlagung von Osram erwarten. Folglich werden sich die Österreicher möglicher Quertreiber unter den verbleibenden Aktionären schnell entledigen wollen.

Vor dem Showdown


Dass ein Spruchstellenverfahren nicht immer sofort erfolgreich sein muss, zeigt das Beispiel Medion. Hier klagen 61  Aktionäre, darunter der berüchtigte US-Hedge­fonds Elliott Management, gegen die Höhe der Abfindung von 13 Euro. Die Antragsteller monieren unter anderem, dass sich die vom chinesischen Großaktionär Lenovo pro­gnostizierten "hohen Synergieeffekte" nur bei den Chinesen, nicht aber bei Medion zeigen. So rechnet die Verbraucherzentrale für Kapitalanleger, die am Spruchverfahren beteiligt ist, mit einer Verdopplung des Unternehmenswerts. Im ersten Entscheid des Landgerichts Dortmund kommt der Sachverständige aber nur auf einen geringfügig höheren Barabfindungsbetrag von 13,29 Euro je Aktie. Nun geht das Beschwerdeverfahren vor dem OLG Düsseldorf in die Verlängerung. Einige Anleger scheinen sich schon in Position zu bringen, der Kurs zog in den letzten Wochen leicht an.

Beim Arzneimittelhersteller Stada geht es derzeit ins Endspiel. Die Finanz­investoren Bain und Cinven, die hinter dem Großaktionär Nidda Healthcare stehen, verkündeten die Absicht, die verbliebenen Minderheitsaktionäre per Barabfindung aus dem Unternehmen zu drängen. Noch in diesem Jahr soll es deshalb zu einer außerordentlichen Hauptversammlung kommen. Beim Spruchstellenverfahren mit der Forderung nach einer höheren Abfindung mussten die Antragsteller im vergangenen Jahr eine Schlappe einstecken. Dennoch notiert der Titel knapp ein Fünftel über den ursprünglich fixierten 74,40 Euro je Aktie. Wir erwarten nicht, dass der Großaktionär noch viel mehr als das aktuelle Kursniveau bezahlen wird, und raten daher nicht mehr zum Einstieg.

Auf einen Blick: Recht und Gesetz


Bei Übernahmen haben Anteilseigner die Wahl: Sie können entweder das Angebot annehmen oder, wenn ihnen der Preis zu niedrig erscheint, ihre Aktien behalten. In letzterem Fall kommt es zu einem längeren Verfahren, das in bestimmten Stufen abläuft.

Sobald der Bieter über ein Mehrheitsverhältnis von mindestens 75 Prozent verfügt, kann er einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag (BuG) abschließen. Dabei handelt es sich um eine im Aktiengesetz verankerte Vertragsform, die das übernommene Unternehmen verpflichtet, seinen ganzen Gewinn an den neuen Großaktionär abzuführen. Den verbliebenen Aktionären wird dann ein Abfindungsangebot sowie eine Garantiedividende in Aussicht gestellt.

Der Squeeze-out, also das "Hinausdrängen" der Minderheit, ist möglich, sobald der Großaktionär 95 Prozent an einer Aktiengesellschaft besitzt. Nach Paragraf 327a des Aktiengesetzes können die übrigen Aktionäre zur Übertragung der Aktien auf den Hauptaktionär gegen Gewährung einer angemessenen Barabfindung gezwungen werden. Der dafür gezahlte Preis orientiert sich am aktuellen Unternehmenswert, darf aber den durchschnittlichen Börsenkurs der letzten drei Monate vor der Squeeze-out-Ankündigung nicht unterschreiten. Hier kommt es oft zu Unstimmigkeiten, denn während sich das Unternehmen arm rechnet, zielen die Minderheitsaktionäre auf höhere Preise ab.

In einem letzten Schritt können Anteilseigner mit einem Spruchstellenverfahren die Höhe von Ausgleichs- und Abfindungszahlungen vor Gericht überprüfen lassen. Die Vergangenheit zeigt, dass die Chance auf eine Nachbesserung relativ hoch ist.