Bei den Cum-Ex-Geschäften ließen sich Anleger die einmal gezahlte Kapitalertragsteuer auf Aktiendividenden mit Hilfe ihrer Bank mehrfach erstatten. Dazu verschoben sie um den Dividendenstichtag herum untereinander Aktien mit (lateinisch: "Cum") und ohne ("Ex") Dividendenanspruch. Banken und andere Verdächtige haben die Finanzämter um Milliarden erleichtert.

Die beiden in Bonn angeklagten ehemaligen Aktienhändler sollen zusammen mit weiteren Personen von Mitte 2006 bis Frühjahr 2011 Cum-Ex-Geschäfte getätigt haben. Die Staatsanwaltschaft gehe von einer Beteiligung an 34 Fällen der besonders schweren Steuerhinterziehung aus, wobei es in einem Fall beim Versuch geblieben sein soll, erklärte das Landgericht Bonn. Die Behörden äußerten sich damit erstmals konkret zu den Vorwürfen gegen die beiden Briten, nachdem die Anklageerhebung bereits Anfang April bekanntgeworden war.

Der 41-Jährige und der 38-Jährige haben umfassend ausgesagt und hoffen auf Milde. Nach dem Gesetz kann Steuerhinterziehung in besonders schweren Fällen mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft werden.

Steuerexperten hatten Cum-Ex-Geschäfte lange als legalen Steuertrick erachtet. Seit einigen Jahren bewerten Ermittler und Strafverfolger das Vorgehen aber fast einhellig als Steuerhinterziehung und treiben ihre Ermittlungen voran. Immer wieder sorgen Cum-Ex-Razzien für Aufsehen. Erst vergangenen Donnerstag hatten Ermittler auf Betreiben der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt drei Wohnungen und Geschäftsräume wegen vermuteter Cum-Ex-Geschäfte durchsucht, wie die Behörde am Montag mitteilte. Die acht Beschuldigten im Alter von 42 bis 60 Jahren sollen einen Steuerschaden von zusammen 13,57 Millionen Euro verursacht haben - ein im Vergleich recht kleiner Fall. Allein die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt in zehn Verfahrenskomplexen bei denen sie einen Steuerschaden von mehr als 810 Millionen Euro vermutet.

MÜHLEN DER JUSTIZ MAHLEN LANGSAM


Bislang gab es in Deutschland jedoch noch keinen Strafprozess wegen Cum-Ex-Geschäften. Zwar hatte die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt bereits 2017 Anklage gegen den Rechtsanwalt Hanno Berger und fünf ehemalige Händler der HypoVereinsbank (HVB) wegen schwerer Steuerhinterziehung erhoben, die dem Fiskus einen Schaden von mehr als 100 Millionen Euro zugefügt haben sollen. Das Landgericht Wiesbaden hat aber immer noch nicht entschieden, ob es die Anklage zulässt. Berger, der als einer der Schlüsselfiguren im Cum-Ex-Skandal gilt, hat die Vorwürfe wiederholt bestritten.

Nun könnte die Staatsanwaltschaft Köln mit ihrer Anklage die Frankfurter Kollegen überholen. In dem Musterprozess müsste grundsätzlich geklärt werden, inwieweit die Cum-Ex-Geschäfte strafbar waren. Am Ende dürfte dies wohl ein Fall für den Bundesgerichtshof oder sogar das Bundesverfassungsgericht werden.

rtr