Der Übernahmepoker um Stada ist eröffnet. In der ersten Runde um den möglichen Verkauf des Pharmakonzerns veröffentlichte das Unternehmen gestern, dass "zwei rechtlich unverbindlichen Interessenbekundungen in Bezug auf den Erwerb von bis zu 100 Prozent der Aktien der Gesellschaft", vorlägen. Einer der Interessenten ist Cinven. Der britische Finanzinvestor hat demnach einen indikativen, sprich ersten Kaufpreis von 56 Euro je Aktie geboten. Die damit ausgerufene Bewertung der Frankfurter von 3,5 Milliarden Euro dürfte daher alles andere als in Stein gemeißelt sein.

Allein die Tatsache, dass laut Stada noch ein weiterer Investor ein Kaufinteresse habe, könnte den Preis treiben. Kepler-Cheuvreux-Analyst Oliver Reinberg bestätigte sein "Buy"-Rating für Stada und erhöhte das Kursziel auf 62 Euro von 55 Euro. "Wir glauben, die Chancen für eine tatsächliche Offerte sind deutlich gestiegen und ein Bieterwettkampf ist möglich." Ein Aktienhändler betonte, der Preis könne in die Höhe getrieben werden, wenn zwei Bieter gegeneinander antreten.

Doch es gibt weitere Gründe, weshalb der Kurs des Herstellers von Markenpräparaten wie dem Erkältungsmittel Grippostad oder dem Sonnenschutzmittel Ladival steigen könnte. Stada gilt spätestens seit dem Frühjahr 2016 als Übernahmekandidat. Damals stieg der aktivistische Investor Active Ownership Capital (AOC) mit etwa fünf Prozent bei den Frankfurtern ein und mischt den Konzern seither mit seinen Forderungen auf. Laut den AOC Mitbegründern Florian Schuhbauer und Klaus Röhrig haben sich Vorstand und Aufsichtsrat zu lange auf ihren gut bezahlten Posten ausgeruht.

Ihr Vorwurf: der Cashflow sei zu niedrig, die Kosten zu hoch. Es folgte ein Machtkampf auf dessen Höhepunkt im vergangenen Sommer ein AOC-Vertreter in den Aufsichtsrat ein und Hartmut Retzlaff als Vorstandsvorsitzender auszog. Letzteres nach offizieller Sprachregelung allerdings aus gesundheitlichen Gründen. Als Nachfolger auf dem Chefsessel stellte Matthias Wiedenfels vorzeitig ein Kostensenkungsprogramm vor und hob die mittelfristigen Ziele des Unternehmens an.

Mittlerweile legte Großaktionär AOC aber nach. Er fordert mehr Disziplin beim Geldausgeben ("war bisher nicht vorhanden") und es müsse "ersichtlich sein, welches Produkt bis wann welche Umsatz- und Ergebnisziele in welchen Märkten erreichen soll." So könne die von Wiedenfels vorgestellte mittelfristige Prognose noch höher ausfallen.

Neben den Verbesserungen die AOC im operativen Geschäft fordert, scheint ihr Druck aber auch für Bewegung an anderer Stelle gesorgt zu haben. Lange hatte sich Stada möglichen Übernahme- und Fusionsmöglichkeiten vehement verweigert. Auch das ein Kritikpunkt von AOC. Als Wiedenfels zum neuen Vorstandschef wurde, zeigte sich dieser sich bei dem Thema jedoch deutlich versöhnlicher als sein Vorgänger. "Eigenständigkeit ist für mich kein Selbstzweck", sagte er. Er wolle zwar das operative Geschäft voranbringen aber "wenn morgen jemand kommt und einen attraktiven Preis bietet, entscheiden die Aktionäre, ob sie verkaufen wollen oder nicht."

Spätestens seit dieser Aussage kochten immer wieder Übernahmegerüchte um Stada hoch. Zu den interessierten Finanzinvestoren gehörten dem Vernehmen nach Advent, Bain, Blackstone, CVC, Permira und eben Cinven. Aus AOC-Sicht wäre ein Verkauf mit Sicherheit der größte Werttreiber für ihr Investment, während die Maßnahmen zur Kostensenkung die Braut aufhübschen. Hinzu kommt, dass Stada unter dem neuen Management laut Insidern schon vor Monaten zu dem Schluss kam, der Konzern sei auf lange Sicht nicht groß genug, um eigenständig zu überleben. Doch auch ohne diese interne Erkenntnis ist Stada ein optimales Ziel für Finanzinvestoren, denn Stada betreibt eigentlich zwei Geschäfte. In seiner Sparte Generika werden Nachahmerdikamente verkauft, während im zweiten Geschäftsbereich rezeptfreie Präparate vertrieben werden. Damit könnte der Konzern vergleichsweise leicht aufgespalten und aus dem gesonderten Verkauf Gewinn gemacht werden.

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Einschätzung der Redaktion

Finanzinvestoren stehen unter großem Druck die ihnen anvertrauten Milliardenbeträge gewinnbringend anzulegen. Potentielle Übernahmeziele müssen daher eine gewisse Größe mitbringen, doch milliardenschwere Kaufkandidaten sind rar geworden. Allein deshalb ist Stada auf dem Radar der Investoren. Hinzu kommt, dass AOC den Konzern werthaltiger macht, das Management selbst die strategische Notwendigkeit eines Partners erkannt hat und die Struktur des Unternehmens sich optimal für eine Zerschlagung eignen würde. Allerdings brodelt die Kauffantasie um Stada bereits länger und hat den Kurs zwischenzeitlich deutlich angetrieben.

Gleichzeitig galt möglichen Interessenten laut Insidern 2016 ein Kaufpreis von vier Milliarden Euro noch als zu hoch. Hinzu kommt, dass Stada an verschiedenen Fronten mit Problemen kämpft. So belaste den Konzern etwa die Abwertung der britischen Währung Pfund Sterling, zudem steckt das Unternehmen noch in einer Restrukturierungsphase.

Dennoch: Sollten vier Milliarden Euro tatsächlich die Schmerzgrenze sein, würde das einen Aktienkurs von rund 64 Euro bedeuten. Dazu müsste allerdings tatsächlich ein Bieterwettstreit entbrennen. Weil Übernahmeschlachten stets hochspekulativ sind, eignet sich der Neueinstieg in die Aktie daher nur für riskobereitere Aktionäre. Wer investiert ist, sollte die Position halten und den heute erzielten Kursgewinn mit einem nachgezogenen Stoppkurs absichern.