Ermittlungen des Kontrollgremiums hätten "belastbare Erkenntnisse für schwerwiegende Pflichtverletzungen" von Vorstandsmitgliedern im Geschäftsjahr 2016 ergeben, sagte Aufsichtsratschef Carl Ferdinand Oetker am Mittwoch in Frankfurt. Der Aufsichtsrat schlug der Hauptversammlung deshalb vor, Wiedenfels, Kraft und Retzlaff, der bereits 2016 seinen Hut als Vorstandschef nehmen musste, die Entlastung zu verweigern.

Die Aktionäre stimmten aber mit der großen Mehrheit von 90,6 Prozent dem Antrag des Vorstands um den neuen Stada-Chef Engelbert Tjeenk Willink zu, die Abstimmung zu vertagen. Der Vorstand hatte die Auffassung vertreten, dass die Untersuchungen erst zum Abschluss gebracht und die notwendigen Schlussfolgerungen daraus gezogen werden sollten. Zwar sei der Vorschlag des Aufsichtsrats "nachvollziehbar". Eine abschließende Bewertung des Berichts im Sinne einer Nichtentlastung sei aber "nicht sachgerecht", sagte Willink. Der Vorstand habe den abschließenden Untersuchungsbericht zudem erst am vergangenen Freitagabend erhalten.

Oetker nannte auf der Hauptversammlung erstmals Gründe für den überraschenden Rücktritt von Wiedenfels und Kraft im Juli. Die Hinweise auf Pflichtverletzungen hätten das Vertrauen in die Integrität der beiden Vorstände derart erschüttert, dass "eine vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht mehr gewährleistet war". Dies habe zur Trennung geführt. Wiedenfels wies die Vorwürfe über seine Rechtsanwälte zurück. Die Entscheidung, dem Vorstand die Entlastung zu vorzuenthalten, sei nicht nachvollziehbar. "Umstände in der Geschäftsführung des Vorstands, die hierzu Anlass geben könnten, liegen nach eigener Erklärung des Aufsichtsrats gegenüber Herrn Dr. Wiedenfels nicht vor."

Oetker zufolge spielte bei einigen Pflichtverletzungen der Abschluss von Beraterverträgen ohne erkennbare Beratungsleistungen eine bedeutende Rolle. In einem Fall sei der Aufsichtsrat sogar über die Leistungserbringung getäuscht worden. Teils hätten die Pflichtverletzungen zu signifikanten Schäden geführt. Externe Rechtsanwälte der Firma hätten Wiedenfels und Kraft dazu schon befragt, Retzlaff habe Gesprächsangebote bislang ausgeschlagen.

Wiedenfels ließ mitteilten, der Aufsichtsrat habe ihm noch bis vor wenigen Tagen Vorschläge zur Beendigung seiner Tätigkeit gemacht, die seine Entlastung ausdrücklich beinhalteten. Das habe gerade auch im Hinblick auf die von Oetker genannten und "lange bekannten" geschäftlichen Themen gegolten. "Diese bieten nach gründlicher Prüfung keinen Anhaltspunkt für Pflichtverletzungen von Herrn Dr. Wiedenfels, und solche hat der Aufsichtsrat uns auch bis heute nicht bezeichnet."

Der Aufsichtsrat lässt unter anderem den Verkauf der Markenrechte an der Sonnenschutzpflege "Ladival" im Jahr 2013 unter dem ehemaligen Vorstandschef Retzlaff prüfen. Ladival ist neben dem Erkältungsmittel "Grippostad C" das wohl bekannteste Produkt von Stada. Der Käufer sei mit Retzlaff befreundet, dem Kritiker vorgeworfen hatten, das Unternehmen wie einen Selbstbedienungsladen geführt zu haben. Der Verkauf sei aus Finanzierungsgründen erfolgt und habe damals wirtschaftlich sinnvoll erschienen. Der Aufsichtsrat habe dem Verkauf zugestimmt. Daran gebe es nun aber Zweifel, sagte Oetker, der selbst seit 2009 in dem Gremium sitzt.

"SEIFENOPER"



Aktionärsvertreter übten scharfe Kritik. Winfried Mathes von der Fondsgesellschaft Deka sagte, die Vorgänge um Stada glichen einer Seifenoper. "Stada ist für uns alle ein Lehrstück darüber, was schlechte Corporate Governance anrichten kann. Eine zu große Machtfülle, Gehaltsexzesse und Vetternwirtschaft in der Führungsetage unter Duldung des Aufsichtsrats." Viele Angelegenheiten seien bei Stada nicht sauber gelaufen und müssten aufgeklärt werden, selbst wenn das Unternehmen nun neue Eigentümer habe, forderte Peter Barth von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz.

Oetker selbst war vor einem Jahr durch eine Aktionärsrevolte an die Spitze des Aufsichtsrats gekommen. Er und vier weitere Aufsichtsratmitglieder hatten in der vergangenen Woche angekündigt, ihre Ämter am 25. September niederzulegen. Damit soll Platz für Vertreter der neuen Mehrheitsaktionäre Bain Capital und Cinven gemacht werden. Den beiden Finanzinvestoren war Mitte August die 5,3 Milliarden Euro schwere Übernahme von Stada im zweiten Anlauf knapp gelungen.

rtr