Mario Draghi wird in diesem Jahr zu den großen Gewinnern unter Europas Regierungschefs zählen. Der italienische Ministerpräsident und frühere Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) hat die Wirtschaft seines Landes in Aufbruchstimmung versetzt. Auf politischer Ebene schafft er es, in einer Vielparteienregierung schnelle Entscheidungen durchzusetzen. Mittlerweile haben Ökonomen die Wachstumsprognosen für Italien in diesem Jahr nach oben korrigiert. An den Finanzmärkten kommt die Botschaft an: Der FTSE MIB, das wichtigste Börsenbarometer des Landes, hat in diesem Jahr auch dank starker Aufholeffekte andere europäische Indizes wie den DAX abgehängt.

Diesen Effekt haben sich etliche Aktienfonds mit Europa-Fokus zunutze gemacht. Katharina Raatz, Fondsmanagerin bei der Berenberg Bank, findet im Nebenwertesegment vor allem bei Software, IT-Dienstleistungen, Medizintechnik und Maschinenbauern eine Vielzahl attraktiv bewerteter Firmen. Wichtige Investmentkriterien sind für sie die Fähigkeit, Marktanteile in Nischen mit strukturellem Wachstum zu gewinnen und eine Kapitalrendite zu erzielen, die die Kapitalkosten um ein Vielfaches übersteigt.

Marco Siebel, Geschäftsführer von Peacock Capital, hat in seinem Nebenwertefonds jetzt italienische Industrieunternehmen mit Fokus auf nachhaltige Infrastruktur auf dem Radar. Die Draghi-Euphorie bei italienischen Titeln im Allgemeinen sieht er weitgehend eingepreist: "Corona-Nachzykler haben outperformt. Jetzt kommt es auf strukturelle Verbesserungen in den Firmen an. Einzig der Bankensektor könnte durch die notwendige und anstehende Konsolidierung noch Kurspotenzial aufweisen."

Mit dem iShares FTSE MIB UCITS ETF (WKN: AOY EDP) und dem Xtrackers FTSE MIB UCITS (WKN: DBX 1MB) bieten zwei Indexfonds die Möglichkeit, an der aktuellen Outperformance des Mailänder Leitindex mitzuverdienen. Beide Produkte schneiden im Hinblick auf Gesamtkosten und Wertentwicklung ähnlich ab. Finanztitel, Versorger und Konzerne aus der Branche der Nichtbasiskonsumgüter machen rund zwei Drittel der Indexgewichtung aus. Bei Einzelaktien sind neben ausgewählten Standardwerten vor allem Titel mittelgroßer Unternehmen weiterhin attraktiv bewertet. Ähnlich wie in Deutschland zählen mittelständische und häufig familiengeführte Unternehmen zu den Champions in ihren Marktnischen. "Im Vergleich zum deutschen Mittelstand nutzen mehr italienische Unternehmen den Börsengang, um sich Zugang zu Kapital und Wachstum per Zukäufe zu verschaffen und den eigenen Bekanntheitsgrad zu erhöhen", sagt Berenberg-Fondsmanagerin Raatz.

Einzeltitel mit Potenzial

IT-Dienstleister Sesa zählt zu den spannendsten Firmen im Technologiebereich. Spezialisiert hat sich das Unternehmen aus Empoli in der Toskana auf Software für Cloud- und Cyber-Security-Lösungen. Zum Kundenstamm zählen renommierte Adressen wie Microsoft, Cisco oder Oracle. Für 2020 bis 2023 gehen die Analystenschätzungen von einem jährlichen Gewinnwachstum um durchschnittlich 30 Prozent aus. Wegen der geringen Liquidität des Titels sollten Anleger die Aktie an der Mailänder Börse ordern.

De’Longhi dürfte vielen wegen seiner Espressomaschinen bekannt sein. Mit einer neuen Markenkampagne, verbesserten Vertriebsstrukturen und dem Ausbau des Onlinehandels hat sich das Unternehmen mit seinen Kaffeevollautomaten, Kücheneinrichtungen und Klimageräten noch besser in den Zielmärkten positioniert. Der Erfolg zeigte sich bereits im Corona-Jahr 2020, als der Umsatz um zehn Prozent und der Konzerngewinn um 25 Prozent zulegte. In den nächsten Jahren will De’Longhi richtig durchstarten. Bereits in diesem Jahr könnte bei der operativen Marge ein neuer Topwert bei 13 Prozent und mehr herauskommen. Der aktuelle Kursrücksetzer bietet eine gute Einstiegschance.

Der weltgrößte Kabelhersteller Prysmian ist Nutznießer von Infrastrukturprojekten, bei denen Stromleitungen und Unterseekabel verlegt werden. Vor allem der Ausbau von Breitbandnetzen und Stromleitungen für Windkraftanlagen bescheren dem Mailänder Konzern volle Auftragsbücher. Trotz gestiegener Bewertung bleibt die Aktie kaufenswert. Die Mailänder Beteiligungsgesellschaft Exor befindet sich mehrheitlich im Besitz der Industriellenfamilie Agnelli. Zu den größten Beteiligungen zählen die Fahrzeugbauer Stellantis, Ferrari und CNH Industrial sowie das Magazin "The Economist" und der Fußballverein Juventus Turin. Das niedrige Kurs-Gewinn-Verhältnis reflektiert den Abschlag, den Holding-Aktien in der Regel aufweisen. Hält man sich vor Augen, dass der Gewinn nach dem Einbruch von 2020 in den nächsten Jahren im oberen zweistelligen Bereich zulegen soll, ist der Titel günstig.

 


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