Stark erhöhte Strompreise drohten die internationale Wettbewerbsfähigkeit stromintensiver Prozesse, etwa der Elektrostahlwerke, massiv zu belasten. Der zweitgrößte deutschen Stahlkonzern Salzgitter erklärte, dass an seinem stromintensiven Standort in Peine Einschränkungen der Produktion nicht ausgeschlossen seien. Die Stahlbranche gehört neben der Chemie-, Aluminium- und Zementindustrie zu den größten Stromverbrauchern.

Der Baustoffkonzern HeidelbergCement kündigte daher an, wegen des Kostenanstiegs aufgrund der hohen Strompreise die Verkaufspreise anheben zu wollen. "Eine derartige Kostenexplosion ist einmalig. Wir sind gezwungen, kurzfristig die Preise deutlich anzuheben", sagte ein Sprecher von HeidelCement. Normalerweise werden die Preise für die energieintensiven Baustoffe nur in größeren Zeitabständen angepasst.

Die Gas- und Strompreise in Europa sind in den vergangenen Monaten auf Rekordstände geklettert. Ursache hierfür sind unter anderem die hohe Nachfrage der Wirtschaft nach dem Höhepunkt der Corona-Krise, der Energiehunger in Asien, eine schwache Ökostromerzeugung, geringer gefüllte Gasspeicher und höhere Preise für Verschmutzungsrechte. Die Großhandelspreise am wichtigen niederländischen Gas-Handelspunkt TTF sind seit Januar um mehr als 400 Prozent gestiegen. Die Großhandelspreise für Strom haben sich verdoppelt.

SCHWERINDUSTRIE UNTER DRUCK - UMBAU KOSTET MILLIARDENSUMMEN


Die Stahlbranche spürt seit Jahren den Druck von Konkurrenten aus Fernost, die geringere Umweltauflagen erfüllen müssen. Zudem steht die Schwerindustrie in Europa vor dem größten Umbau ihrer Geschichte, um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen. Stahlverbands-Präsident Kerkhoff warnt vor zu hohen Belastungen. "Auch die Transformation hin zu einer klimaneutralen Stahlindustrie auf Basis von Erneuerbaren Energien und Wasserstoff wird durch die Energie-Mehrkosten erheblich erschwert." Es sei unverzichtbar, dass die bestehenden Entlastungen von Abgaben und Umlagen bei den Energiekosten fortgesetzt und nicht eingeschränkt werden.

Beim Strom können sich Salzgitter und auch Thyssenkrupp bei der Stahlerzeugung teilweise selbst versorgen. "Die Standorte Salzgitter und Mühlheim sind mit 100 Prozent Eigenversorgung aus Kuppelgasverstromung abgesichert", erklären die Niedersachsen. Für alle anderen Konzerngesellschaften sichere Salzgitter Teilmengen mit mehreren Jahren Vorlaufzeit ab. Die aktuellen Preissteigerungen schlügen dann aber zeitverzögert durch.

"An unserem integriertem Hauptstandort Duisburg produzieren wir relativ autark", berichtet Thyssenkrupp Steel Europe. Das Werk in Duisburg versorge sogar 20.000 angrenzende Haushalte in der Ruhrgebietsstadt mit Strom. "Indirekt trifft uns die Steigerung der Strompreise dennoch, da zum Beispiel die Preise für die von uns eingesetzten Industriegase an Strompreise gekoppelt sind." Produktionsanpassungen oder -stilllegungen gebe es wegen der gestiegenen Strom- und Gaspreise nicht.

Die in Deutschland mit mehreren Edelstahlwerken vertretene Swiss Steel Group sieht nach einem Bericht des "Spiegel" die Bundesregierung am Zuge. "Wir brauchen jetzt unmittelbar eine Entlastung", sagte Konzernchef Frank Koch dem Magazin. Für die Produktion würden große Mengen Strom benötigt. Ein Stopp der Produktion oder die Verlegung von Schichten sei kurzfristig denkbar.

rtr