Er ist der Architekt eines der größten Modeimperien der Welt – der Fast Retailing Group. Seine Hauptmarke Uniqlo bietet seit mehr als 40 Jahren hochwertige, zeitlose Kleidung zu fairen Preisen
Ein einfacher maritim-blauer Pullover aus Merinowolle oder ein eleganter dunkelblauer Anzug, gepaart mit einem Hemd, das sind die bevorzugten Outfits von Tadashi Yanai. Er ist Gründer und Präsident eines der erfolgreichsten Modehäuser der Welt: Uniqlo. Er könnte aus unzähligen Kollektionsteilen wählen, beschränkt sich jedoch auf diese Basics, die er seit Jahrzehnten trägt. Abwechselnd und abhängig davon, ob es ein eher legerer oder formeller Anlass ist, zu dem er sich kleidet.
Mit der Wahl seiner Garderobe repräsentiert der Japaner wie kaum ein anderer die Designprinzipien seiner Heimat: schlichte Perfektion und praktische Schönheit. Grundsätze, auf denen auch die Kollektionen von Uniqlo beruhen. Hochwertige, zeitlose Basisteile mit minimalistischen Schnitten und in meist gedeckten oder neutralen Farben. Sie buhlen nicht um Aufmerksamkeit, doch genau dieser unauffällige Schick macht ihren Reiz aus.
Den Anfang machte ein Missverständnis
Yanai selbst hat das Schneiderhandwerk zwar nicht gelernt, ist aber damit aufgewachsen. Kurz nach seiner Geburt im Februar 1949 eröffnet sein Vater, ein Schneider, in Yanais Geburtsort Ube in der Präfektur Yamaguchi ein Herrenmodegeschäft. Nach dem Ende seines Politik- und Wirtschaftsstudiums 1971 an der renommierten Waseda-Universität in Tokio jobbt Tadashi ein paar Jahre bei einer großen japanischen Einzelhandelskette, bevor er in das mittlerweile gewachsene Modeunternehmen Ogori Shoji seines Vaters einsteigt.
Doch Tadashi Yanai ist eine lausige Führungskraft, viel zu arrogant, wie er später zugibt. Die Angestellten kündigen einer nach dem anderen und nach zwei Jahren steht er fast allein da. Ein Weckruf, es künftig anders zu machen. 1984, mittlerweile ist er CEO von Ogori Shoji, gründet Tadashi in Hiroshima die erste Filiale seines „Unique Clothing Warehouse“. Die spätere Abkürzung „Uniqlo“ ist die Folge eines Missverständnisses bei der Eintragung ins Handelsregister: Statt „Uniclo“ liest der Angestellte „Uniqlo“. Dem Erfolg tut das keinen Abbruch.
Yanai lässt sich von europäischen und amerikanischen Marken wie Benetton, Gap oder Esprit inspirieren und möchte globaler auftreten. 1991 wird aus Ogori Shoji der international zugänglichere Name Fast Retailing Group. Sukzessive erhöht sich auch die Anzahl der Uniqlo-Filialen im Land auf 300, doch erst 1998 eröffnet das erste Geschäft in der Hauptstadt Tokio. Zu diesem Anlass wird erstmals eine Jacke aus Fleece, das damals ein sehr teures Material war, für nur 15 Dollar ins Sortiment genommen, die innerhalb eines Jahres zwei Millionen Mal verkauft wird.
Uniqlo wächst weiter. Nach dem Jahrtausendwechsel ist das Label in Japan an 400 Standorten vertreten und es ist Zeit, ins Ausland zu expandieren. Die erste Dependance öffnet 2001 in London ihre Türen — allerdings nicht in der Innenstadt, sondern am Rande der Metropole, im weltweit bekannten Tennis-Mekka von Wimbledon.
Visionär zu sein bedeutet, die Dinge sehen zu können, die andere nicht sehen – und dann etwas zu tun, um sie zu verwirklichen.“
Ein Hauch von Dior bei Uniqlo
Doch die Marke hat ein Problem: Trotz ihrer Beliebtheit gilt sie hinter vorgehaltener Hand als billig und minderwertig. Yanai ändert das, indem er sich in der Global Quality Declaration dazu verpflichtet, mit Uniqlo keine Kleidungsstücke von minderwertiger Qualität herzustellen. Innovationen sind gefragt. Aus dem intern entwickelten HeatTech-Material entsteht funktionale Thermo-Bekleidung, außerdem wird Kaschmir ins reguläre Produktsortiment aufgenommen. London bekommt 2007 zwei weitere Filialen, diesmal in der Oxford Street. Auch in Paris lässt man sich nieder, hier im modernen Stadtteil La Défense.
Im Gegensatz zu anderen globalen Marken aus dem Fast-Fashion-Segment setzt Yanai mit Uniqlo auf langlebige Modelle, sowohl was die Qualität als auch Modetrends betrifft. Ein Ansatz, der sich angesichts nachhaltiger agierender Konsumenten bewährt hat.
Yanais Modeimperium umfasst heute über 2700 Uniqlo-Filialen auf der ganzen Welt, die immer wieder auch mit Sommer- und Winter-Sonderkollektionen wie etwa von dem neuen Dior-Designer J.W. Anderson für Furore sorgen. Dazu kommen noch die vielen anderen Marken des Mutterkonzerns Fast Retailing wie das einstige Kultlabel Helmut Lang, die kalifornische Jeans-Marke J Brand, das New Yorker Label Theory oder die französischen Modelinien Comptoir des Cotonniers und Princesse tam tam. Ihm selbst gehören 46 Prozent des Konzerns, weitere 40 Prozent teilen sich seine Frau und die beiden Söhne. Tadashi Yanais Vermögen wird heute auf rund 47 Milliarden Dollar geschätzt, was ihn zum reichsten Mann Japans macht. Weltweit betrachtet befindet er sich damit unter den 40 wohlhabendsten Menschen.
Ganz der Familienunternehmer, hat der Vater seine Kinder mit ins Fast-Retailing-Führungsteam geholt. Beide werden seit Jahren als seine Nachfolger an der Konzernspitze gehandelt. Aber noch ist es nicht so weit. Der 76-Jährige beginnt seine Arbeitstage nach eigener Aussage gerne morgens ab sieben Uhr und ist gegen 16 Uhr wieder zu Hause — entweder im 50-Millionen-Dollar-Anwesen in den Wäldern außerhalb Tokios oder in seiner noblen Villa im Stadtzentrum. Yanai ist begeisterter Golfspieler. Verbringt er einmal längere Zeit nicht in seinem Heimatland, dann ist er in der Regel auf Hawaii anzutreffen, wo ihm zwei Golfplätze gehören.
Förderer der japanischen Kultur
Trotz dieser Besitztümer zählt Tadashi Yanai zu den Menschen, die der Überzeugung sind, dass ein Unternehmen nur Bestand haben kann, wenn es einen Teil seiner Gewinne an die Gesellschaft zurückgibt. Sei es durch Engagement an den Orten der Stoffherstellung, der Konfektionierung oder dort, wo die Produkte am Ende verkauft werden. Seinen Mitarbeitern zahlt er angesichts der anhaltenden Inflation in Japan seit Anfang 2023 bis zu 40 Prozent mehr Gehalt.
Tadashi Yanai mag der reichste Japaner sein, der bekannteste ist er nicht. Den Namen des Schriftstellers Haruki Murakami dürften weitaus mehr Menschen schon einmal gehört haben. Und doch gibt es eine Gemeinsamkeit zwischen diesen Herren. Beide haben an der Waseda-Universität im selben Jahr ihren Abschluss gemacht. Auf dem Uni-Campus wurde mit dem Waseda International House of Literature 2021 ein Bibliotheksgebäude eröffnet, das dem Schriftsteller gewidmet ist und alternativ auch als „The Haruki Murakami Library“ bezeichnet wird — maßgeblich finanziert von Tadashi Yanai. Seine Ambition: die japanische Kultur und Literatur weltweit zu fördern und einen offenen Ort des kulturellen Austauschs zu schaffen.