Anhaltende Überkapazitäten, Preisdruck und großen Mengen billigen Stahls aus China machen aus Sicht der Vorstände die Auslagerung der Stahlsparten von Thyssenkrupp und Tata notwendig. Mit Größenvorteilen, einer besseren Auslastung in der Stahlproduktion und Einsparungen in der Verwaltung soll Europas neue Nummer Zwei in der Stahlbranche profitabler als die beiden Sparten der Konzerne werden. Thyssenkrupp und Tata Steel werden jeweils 50 Prozent an der geplanten Firma mit 48 000 Beschäftigten halten.

Nach Einschätzung von Thyssenkrupp-Lenker Heinrich Hiesinger ergänzen sich die beiden Sparten sehr gut. Thyssenkrupps Stärke ist die Automobilbranche, bei Tata sind es Unternehmen aus verschiedenen Industrien.

Unterstützung aus der Politik



Starten soll das neue Unternehmen mit dem Namen Thyssenkrupp Tata Steel mit rund 15 Milliarden Euro Gesamtumsatz. Die Einsparungen werden auf jährlich 400 bis 600 Millionen Euro taxiert. Die schwarz-gelbe Landesregierung Nordrhein-Westfalens (NRW) sieht die Pläne der beiden Konzernvorstände positiv. NRWs Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) teilt die Ansicht, dass mit der Fusion der beiden Sparten Thyssenkrupps Standorte hierzulande besser ausgelastet sein werden und ergänzte dass sich die Politik in die Entscheidung der beiden Unternehmen nicht zu sehr einmischen sollte.

Wichtig für Aktionäre: Weil das künftige Stahlunternehmen in die Bilanz von Thyssenkrupp, dem Joint Venture entsprechend, mit der Hälfte seines Buchwerts eingehen wird, werden sich viele Finanzkennzahlen des DAX-Konzerns deutlich verbessern. Klappt der Deal werden nach Einschätzung der Analysten vom Bankhaus Lampe rund vier Milliarden Euro Schulden in die Bilanz des Joint Ventures übertragen. Das reduziere zwar den möglichen Buchgewinn durch die Auslagerung, stärke jedoch die Bilanz des künftigen Industriekonzerns. Thyssenkrupp will sich auf seine Geschäfte mit Aufzügen, Autoteilen, Industrieanlagen und U-Booten konzentrieren. Aus dem Stahlgeschäft will sich der Konzern, dessen Historie und Tradition auf dieser Sparte beruht, nicht verabschieden.

IG Metall fordert Garantien



Das Joint Venture sei eine Zukunftsperspektive, die nicht nur Wertsteigerung für die Aktionäre schafft, sondern auch Klarheit für die Mitarbeiter und Zehntausenden die Arbeitsplätze in Europa langfristig sichert, wirbt Hiesiger für die Ausgliederung. In diesem Punkt nimmt die einflussreiche Gewerkschaft IG Metall den Chef beim Wort und fordert Garantien für die Beschäftigten. "Wenn das nicht passiert, dann wird das nichts", warnte Aufsichtsrat und IG-Metall-Vertreter Detlef Wentzel den Vorstand. Hiesinger ist am Ende des Fusionsprozesses im Aufsichtsrat auf die Zustimmung der Gewerkschaft angewiesen. Thyssenkrupp und Tata gehen davon aus, dass die Fusion auch von den Kartellbehörden bis Ende 2018 abgesegnet sein wird.

Auch Werkstoffsparte könnte verkauft werden



Nach Einschätzung des Bankhaus Lampe wird die Ausgliederung des Stahlgeschäfts zunächst die bisher magere Eigenkapitalrendite des Konzern von derzeit 6,5 Prozent verbessern und damit mittelfristig auch zu einer insgesamt höheren Bewertung des Konzerns als Industrieunternehmen führen. Denn nach Abschluss der Ausgliederung dürfte nach Einschätzung der Analysten auch das zyklische Werkstoffgeschäft Thyssenkrupp Material Services zur Disposition stehen.

Ohne die jüngst sanierte Italien-Tochter AST mit 1,5 Milliarden Euro Umsatz und rund zehn Millionen operativem Gewinn (Ebit) kommt die Sparte auf gut zehn Milliarden Euro Umsatz und 138 Millionen Euro Gewinn (Ebit). AST könnte nach Einschätzung der Lampe Bank auch an einen direkten Wettbewerber wie Aperam oder Acerinox verkauft werden. Das übrige Geschäft der Sparte würde gut in das Portfolio von Klöckner, des größten produzentenunabhängigen Metall- und Stahlhändlers in Europa. Thyssenkrupp Material Services ohne ATS schaffte mit 5,7 Milliarden Euro Umsatz 2016 rund 2,1 Prozent Marge beim operativen Gewinn (Ebitda), Klöckner kam auf 3,4 Prozent Rendite. Eine große Herausforderung für das Duisburger Unternehmen dürfte jedoch die Finanzierung des auf mehr als drei Milliarden Euro geschätzten Deals sein.

Fazit der Redaktion



Die Fortschritte beim erwarten Umbau des Stahlkonzerns und die Aussicht auf eine höhere Bewertung als Industrieunternehmen bringen Kursfantasie. Weiter aussichtsreich.

Kurziel: 35,00

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