Am Freitag findet die virtuelle Hauptversammlung von Thyssenkrupp statt - aber bereits am Montag wurde der Redetext von Chefin Martina Merz veröffentlicht. Damit wurde auch eine der Fragen rund um den Börsengang der Wasserstofftochte beantwortet: "Unsere Vorzugslösung ist, einen Teil des Geschäfts an die Börse zu bringen, gleichzeitig aber Mehrheitseigner zu bleiben, um so von den Wachstumsaussichten des Geschäfts zu profitieren", so Merz. "Eine Entscheidung über einen Börsengang könnte in der ersten Jahreshälfte 2022 fallen." Die Tochter Nucera gehört zu zwei Dritteln Thyssenkrupp und zu einem Drittel dem Joint-Venture-Partner De Nora.

Nucera entwickelt im großen Maßstab Anlagen, die mit erneuerbarer Energie Wasserstoff herstellen können. Wasserstoff spielt eine Schlüsselrolle bei der Energiewende und den Klimaschutzzielen, wodurch das Interesse an solchen Firmen groß ist. "Wir erwarten, dass sich der Bedarf an Wasserstoff enorm stark entwickeln und bis 2050 versiebenfachen wird", erklärte Merz. Thyssenkrupp strebt bei einem Teilbörsengang über die Ausgabe neuer Aktien Primary Proceeds von 500 bis 600 Millionen Euro an. Wie viele Aktien auf den Markt gebracht werden könnten, hat der Konzern offengelassen.

Einnahmen aus IPO bleiben bei Nucera


Ein solcher Börsengang habe neben der finanziellen Flexibilität für das Geschäft noch zwei weitere Vorteile, so Merz laut Redetext: "Der Wert von thyssenkrupp nucera würde deutlich gemacht. Und zweitens würde der Gang an die Börse unsere Bekanntheit als führender Anbieter von Technologie für die Produktion von grünem Wasserstoff zusätzlich deutlich steigern."

Sie betonte zugleich, dass die Einnahmen aus einem möglichen Börsengang Nucera selbst zugute kommen sollen. "Mit einem potenziellen IPO-Erlös wollen wir gemeinsam mit unserem Joint-Venture-Partner Industrie De Nora in unser Elektrolysegeschäft investieren." Einnahmen durch die öffentliche Platzierung von Aktien aus einer Kapitalerhöhung von Thyssenkrupp Nucera würden auch in Nucera investiert.

Weiter offene Fragen im Stahlgeschäft


Weiter in Geduld üben müssen sich die rund 27.000 Beschäftigten von Thyssenkrupp Steel Europe. Das Stahlgeschäft solle seine Wettbewerbsfähigkeit weiter verbessern. "Parallel dazu prüfen wir im Schulterschluss mit allen Beteiligten sorgfältig und gewissenhaft die Machbarkeit einer Verselbstständigung des Stahlgeschäfts", betonte Merz. Entschieden werde erst dann, wenn die Rahmenbedingungen klar seien. "Das erfordert eine sorgfältige und gewissenhafte Prüfung."

Die Schwerindustrie steht mit den Wandel zu einer klimaschonenden Produktion vor der größten Herausforderung ihrer Geschichte. Konzerne wie Thyssenkrupp und Salzgitter und auch die Gewerkschaft IG Metall haben deutlich gemacht, dass die Unternehmen die milliardenschweren Kosten nicht alleine stemmen können. Sie fordern Unterstützung vom Staat. "Auch wenn wir hier bereits unternehmerische Verantwortung übernehmen und Mittel für die Transformation bereitstellen - ohne konkrete und breite Unterstützung der Politik ist es da bislang schwer, grundlegende und belastbare Entscheidungen zu einer Eigenständigkeit zu treffen" sagte Merz. "Die größte Herausforderung für den Stahl ist dabei ohne Frage die grüne Transformation. Damit sie gelingen kann, sind staatliche Förderinstrumente unverzichtbar." Über die Unterstützung durch die Politik gebe es nach wie vor keine klaren rechtlichen Rahmenbedingungen und keine Klarheit über Fördermittel. "Da drängt die Zeit."

Einschätzung zur Thyssenkrupp-Aktie


Anleger reagierten positiv auf den bereits veröffentlichten Redetext der Hauptversammlung - die Aktie stieg am Montag um 2,5 Prozent auf 9,06 Euro.

Nach schwierigen Jahren scheint den Essenern die Trendwende gelungen zu sein. Die Materialknappheit und die hohe Nachfrage nach Stahlprodukten spielt dem ehemaligen DAX-Konzern in die Karten - er kann die steigenden Energie- und Rohstoffpreise an seine Kunden weiterreichen.

Wir sehen Potenzial in der Thyssenkrupp-Aktie und empfehlen sie langfristig orientierten Anlegern zum Kauf.

fh/rtr/dpa-AFX