In dem Streit über die Reformauflagen für neue Hilfskredite der Euro-Partner und des Internationalen Währungsfonds scheint die Stunde der Entscheidung jetzt gekommen: Die Banken haben kaum noch Bargeld, der Euro-Zone geht die Geduld aus und die Termine für die Rückzahlung weiterer Milliarden-Hilfen rücken immer näher. Ein Euro-Sondergipfel hatte Tsipras deshalb am Dienstag eine Frist bis Donnerstag gesetzt, um umfassende Reformvorschläge zu machen. Ein EU-Gipfel am Sonntag könnte dann den Weg für eine Rettung in letzter Minute freimachen - oder eben nicht. Dann wäre ein Staatsbankrott wohl kaum noch vermeidbar.
Beim Euro-Rettungsfonds ESM stellte die griechische Regierung mittlerweile einen Antrag auf ein weiteres Hilfsprogramm. Darüber sollen zunächst hochrangige Vertreter aus den Finanzministerien der 19 Euro-Staaten beraten.
"Wir sind dazu aufgefordert, einen würdigen Kompromiss zu finden, um einen historischen Bruch zu vermeiden", sagte Tsipras: "Ich kann Ihnen versichern, dass sich das griechische Volk bemüht hat, sich den Anforderungen anzupassen, aber jetzt sind wir am Ende der Belastbarkeit angelangt." Seine Heimat sei zu einem Versuchslabor für Sparpolitik geworden. "Die Mehrheit des griechischen Volkes sieht keinen anderen Ausweg, als eine Befreiung von diesem ausweglosen Kurs zu fordern", sagte er mit Blick auf das Ergebnis des Referendums vom vergangenen Sonntag.
Zugeich räumte Tsipras ein, dass die Ursachen für die Krise in Griechenland lägen, und nicht im Ausland: "Wir sind fest entschlossen, keine Konfrontation mit Europa zu betreiben, sondern mit dem Establishment in unserem Land". Sein Ziel sei eine gerechte Lastenverteilung und ein zukunftsgerichtetes Wachstumsprogramm. Binnen der nächsten zwei Tage werde der griechische Vorschlag weiter ausgestaltet. Zugleich bekräftigte er die Forderung nach einer Neuordnung der Staatsschulden, was in den bisherigen Verhandlungen einer der Hauptstreitpunkte war.
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DIE EZB HAT DIE HAND SCHON AM STECKER
Finanziell über Wasser gehalten wird das Land nur noch von der Europäischen Zentralbank (EZB), die bisher Nothilfen der griechischen Notenbank an die klammen Geldinstitute gebilligt hat. Diese sogenannten ELA-Hilfen summieren sich mittlerweile Insidern zufolge auf knapp 90 Milliarden Euro. EZB-Ratsmitglied Christian Noyer sagte dem Radiosender Europe 1: "Unsere Regeln zwingen uns dazu, an dem Punkt sofort aufzuhören, wenn es keine Aussicht auf eine politische Einigung für ein Programm gibt oder wenn das griechische Bankensystem bröckelt - was passieren würde, wenn es zu einem allgemeinen Zahlungsausfall auf alle Schulden kommt."
Damit deutete Noyer an, dass bei einem Scheitern des Gipfels am Sonntag mit den ELA-Hilfen Schluss sein könnte. Dann wäre die Regierung gezwungen, Schuldscheine auszugeben, um Rechnungen und Gehälter zu zahlen. Das Finanzministerium in Athen dementierte einen Bericht der Zeitung "Kathimerini", dass die Ausgabe solcher Schuldscheine für Ende Juli vorgesehen sei, falls es bis dahin keine Einigung gebe. Am Morgen gelang es der Regierung, sechsmonatige Schuldverschreibungen ("T-Bills") im Volumen von 1,625 Milliarden Euro zu erneuern. Vom eigentlichen Kapitalmarkt ist das Land aber seit 2010 faktisch abgeschnitten.
"Selbst wenn der 'Grexit' letztlich vermieden werden kann, sehen wir für Griechenland dennoch den Rückfall in eine schwere Rezession", sagte der Chefvolkswirt der DZ Bank, Stefan Bielmeier. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) werde 2015 wohl um zwei Prozent und 2016 um 3,8 Prozent schrumpfen: "Die politischen und finanziellen Turbulenzen werden auf die Ausgabebereitschaft von Unternehmen und privaten Haushalten voll durchschlagen." Auch der Kreditversicherer Euler Hermes prophezeite ein Rezessionsjahr. Komme es zum einem Austritt des Landes aus EU und Euro-Zone, werde das BIP in den ersten zwölf Monaten danach sogar um 15 Prozent einbrechen. 2014 war die griechische Wirtschaft nach jahrelanger Rezession mit 0,8 Prozent erstmals wieder gewachsen.
Reuters