"Es ist derzeit unfassbar sinnvoll, dass sich Unterhaltspflichtige und die betroffenen Empfänger der Zahlungen zusammensetzen, um zu einer vernünftigen Lösung zu kommen, statt die Gerichte einzuspannen", sagt Eva Becker, Fachanwältin für Familienrecht in Berlin. Diesen Tipp würde die Juristin, die auch Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht im Deutschen Anwaltverein ist, grundsätzlich immer geben, derzeit aber erst recht. Der Grund: Einigen sich die Beteiligten nicht und der Unterhaltspflichtige zieht vors Amtsgericht, kann es mindestens viele Monate dauern, bis das Gericht entscheidet und die Betroffenen Klarheit haben. Die Coronaseuche, damit einhergehende Quarantänen und die Betreuung von Kindern hat auch die Besetzung der Gerichte stark dezimiert. Da landen Unterhaltsverfahren derzeit ganz am Ende - sie werden also nachrangig abgearbeitet.

Offizielle oder private Unterhaltsregelung, das ist die Frage


Grundsätzlich ist bei Unterhaltsregelungen zu unterscheiden, ob sie offiziell per gerichtlichem Beschluss oder Jugendamts-Urkunde getroffen wurden oder aber ob zum Beispiel die Eltern von Kindern, für die Unterhalt zu zahlen ist, selbst privat eine Absprache getroffen haben. "Gibt es eine offizielle Unterhaltsregelung, müssen die Zahlungspflichtigen zum Amtsgericht, wenn sie eine Reduzierung erreichen wollen", erklärt Anwältin Becker. "Es reicht dann nicht, mal eben zum Jugendamt zu gehen." Wer den Gerichtsweg wählen möchte, sollte sich beeilen, denn Änderungen der Unterhaltshöhe sind nicht rückwirkend möglich, sondern im Regelfall nur für die Zukunft. Wer also ab April weniger Unterhalt zahlen will, muss sich noch im März ans Amtsgericht wenden.

Anders bei den privat geregelten Unterhaltsvereinbarungen. "Da könnten die Zahlungspflichtigen theoretisch schon ab dem nächsten Tag den Unterhalt verringern", so Becker. Sie gibt jedoch zu bedenken, dass die Situation in solchen Fällen nicht nur für die Zahlenden schwierig ist, die plötzlich weniger Einkommen erzielen. Auch die Empfänger, meist Mütter mit Kindern, müssten über die Runden kommen.

Auf die Dauer der Kurzarbeit kommt es an


Generell warnt die Anwältin Betroffenen davor, unter den gegebenen Corona-Umständen vorschnell den Gerichtsweg zu wählen, wenn Zahlungspflichtige Kurzarbeitergeld beziehen. Und zwar aus mehreren Gründen. Erstens deswegen, weil es gut sein könnte, dass sich in ein paar Wochen schon klarer abzeichnet, wie lange die Kurzarbeit dauert. Stellt sich bis dahin heraus, dass die Phase der Kurzarbeit nur Wochen währt, sei vom Gerichtsweg abzuraten, denn, zweitens: "Läuft es auf höchstens drei Monate Kurzarbeit hinaus, sprechen Familiengerichte vermutlich eher von vorübergehenden Einkommenseinbußen, die ein Zahlungspflichtiger einplanen muss", erklärt die Expertin. Bei einer solchen Dauer ist es also unwahrscheinlich, dass ein Absenken der Unterhaltshöhe gerichtlich durchsetzbar wäre.

Anders läge der Fall, wenn das Kurzarbeitergeld länger gezahlt wird. Bis zu zwölf Monaten sind möglich. Dann könnte es sich finanziell lohnen, eine Reduzierung des Unterhalts per Gericht zu erwirken. Drittens gibt Becker zu bedenken, dass ein Zahlungspflichtiger bei Gericht auch verlieren könnte. "Wenn er Pech hat, muss er dann Gerichts- und Anwaltskosten zahlen, die sich auf 1000 oder mehr Euro belaufen können." Beckers Rat an die Betroffenen: "Gehen Sie zum Jugendamt oder zu einem Fachanwalt und lassen Sie sich beraten!" Das könne viel Ärger und Kosten sparen helfen.

Wird das Kurzarbeitergeld aufgestockt, ändert sich nichts


Und noch eine Überlegung zum Stichwort Kurzarbeit und Unterhaltspflicht. Das Kurzarbeitergeld beträgt für Personen mit Kindern 67 Prozent der pauschalierten Nettoeinkünfte. Manche Unternehmen, etwa in der Metall- und Autoindustrie, stocken diese Zahlungen deutlich auf. Becker: "Wenn ein Arbeitgeber aufstockt, sodass sich das Nettoinkommen der Beschäftigten trotz Kurzarbeit kaum oder gar nicht reduziert, ändert sich an der Unterhaltshöhe nichts."