Eine Stunde hat es gedauert, dann waren alle Papiere weg. Problemlos sammelte der Spielzeughersteller Vedes im vergangenen Monat 20 Millionen Euro ein. Die niedrige Eigenkapitalquote von 30 Prozent, hohe Verbindlichkeiten, die den Gewinn um ein Vielfaches übersteigen, und ein Rating der recht unbekannten Agentur Feri, das mit "BB" im Ramschbereich liegt, schreckten die Geldgeber nicht ab: 7,125 Prozent zahlt Vedes seinen Investoren für das überlassene Kapital - deutlich mehr, als man für andere Anlageformen derzeit bekommen kann. Und deutlich weniger, als Anleger noch vor ein paar Jahren für ein solches hochriskantes Papier verlangt hätten.

Immer mehr Unternehmen nutzen das Niedrigzinsumfeld und decken sich auf dem Anleihemarkt zu günstigen Konditionen mit Kapital ein. Das Emissionsvolumen ist auf einem Rekordhoch, während die Renditen immer weiter sinken. Selbst für Schuldner mit schlechter Bonität ist es kaum ein Problem, an Geld zu kommen. Ihre sogenannten Ramschanleihen sind dank hoher Kupons sogar besonders begehrt. Doch sobald die Zinsen wieder steigen, könnte es auf dem Anleihemarkt zu einem Donnerwetter kommen.

Bislang ist davon jedoch noch nichts in Sicht - jedenfalls nicht in Europa. Erst im Juni hatte Mario Draghi, Chef der europäischen Zentralbank (EZB), bekräftigt, seinen Kurs der lockeren Geldpolitik fortzuführen. Mit einer Strafgebühr auf Einlagen der Banken und einer weiteren Absenkung des Leitzinses auf das Rekordtief von 0,15 Prozent will er die Kreditvergabe und damit die Konjunktur ankurbeln. Auch andere Notenbanken haben mit ähnlichen Maßnahmen den Markt mit Geld geflutet, um die Realwirtschaft mit Liquidität zu versorgen.

Dort kam das Geld jedoch nur selten an. Besonders im Süden Europas leiden Unternehmen noch immer unter einer Kreditklemme. Statt die günstigen Zinsen weiterzureichen und Darlehen an Firmen zu vergeben, saugen sich die Banken mit billigem EZB-Geld voll und stecken es in den Anleihemarkt. Vor allem gut verzinste Staatsanleihen sind bei den Kreditinstituten gefragt. Die Folge: Die Länder werden mit Geld zugeschüttet, während ihre Unternehmen auf dem Trockenen sitzen. Der Ausweg aus dem Dilemma ist immer häufiger die Emission von Unternehmensanleihen.

Auf Seite 2: Mehr Emissionen, weniger Zinsen

Mehr Emissionen, weniger Zinsen

Die Ratingagentur S & P schätzt, dass Firmen weltweit in den kommenden fünf Jahren insgesamt 6,6 Billionen US-Dollar über den Anleihemarkt einsammeln könnten. Vor allem der Markt für Hochzinsanleihen boomt. Allein in der ersten Jahreshälfte 2014 wurden High Yields im Wert von 340 Milliarden Dollar platziert. Schon jetzt sind das mehr als zwei Drittel der gesamten Hochzinsemissionen vom Vorjahr. In Europa ist mittlerweile jeder dritte Bond eine sogenannte Ramschanleihe. Und diese besonders risikoreichen und ausfallgefährdeten Papiere finden reißenden Absatz.

Auf der Suche nach halbwegs passabel verzinsten Anlagemöglichkeiten akzeptieren die Investoren ein immer höheres Risiko. Hauptsache das Kapital wird verzinst. Risikolose Papiere rentieren längst unterhalb der Inflationsrate: So wirft eine fünfjährige Anleihe des Lebensmittelkonzerns Nestlé, der mit einer Bonitätsbewertung von "AA" als besonders zahlungsfähig gilt, derzeit weniger als ein Prozent Rendite jährlich ab. Der Duftmittelhersteller Symrise ging kürzlich mit einem Kupon von 1,75 Prozent für eine fünfjährige Anleihe an den Markt, ohne überhaupt ein Rating zu haben. Vor allem institutionelle Anleger haben sich auf der Suche nach sicheren Produkten mit solchen Anleihen eingedeckt und die Kurse in die Höhe getrieben.

Für Ramschanleihen liegen die Renditen laut einer Studie der Bank of America immerhin noch bei durchschnittlich 5,6 Prozent - nach einem Rekordhoch von 23,2 Prozent während der Finanzkrise. Auch hier hat die hohe Nachfrage die Kurse auf Rekordhöhe steigen und die Renditen sinken lassen. Beispiel HeidelbergCement: Das Unternehmen hat 2009 eine zehnjährige Anleihe mit einem Kupon von 8,5 Prozent begeben. Mittlerweile liegt die Rendite der mit "BB+" und damit im Non-Investment- Bereich bewerteten Anleihe bei 2,5 Prozent, weil der Kurs auf 130 Prozent hochgeschnellt ist.

Der Renditehunger von Anlegern und die Emissionsfreudigkeit vieler finanziell unsolider Unternehmen sind mittlerweile ausgerechnet jenen ein Dorn im Auge, die dafür verantwortlich sind: So kritisierte die Chefin der US-Notenbank Fed, Janet Yellen, die Risikobereitschaft vieler Anleger. Auch die EZB warnte vor Überhitzungen. Bedroht ist vor allem der High-Yield-Markt - erst recht dann, wenn EZB und Fed die Zinsen erhöhen sollten. Kursrutsche und Turbulenzen am Finanzmarkt wären dann programmiert.

Einen Vorgeschmack darauf gab es bereits 2013, als der damals noch amtierende US-Notenbankchef Ben Bernanke das baldige Ende der Geldflut ankündigte. Die Anleihekurse von High Yields gerieten daraufhin besonders stark unter Druck. In der Hoffnung auf Zinssteigerungen hatten Investoren ihr Geld abgezogen und in sichere Anlageformen umgeschichtet. Der Markt war in Aufruhr. Und genau das könnte erneut drohen, wenn die Fed Ernst macht und die EZB ebenfalls einen geldpolitischen Kurswechsel in Aussicht stellt.

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Warnung vor Zinsanstieg

Um Turbulenzen und Blasenbildung zu verhindern, werden die Währungshüter nicht müde zu betonen, dass sich Anleger auf steigende Zinsen einstellen müssen. Die Fed ließ als erste Notenbank ihren Worten Taten folgen: Ihr Anleihekaufprogramm soll im Oktober eingestellt werden, die erste Zinserhöhung könnte 2015 kommen.

Ob es dann heftige Marktturbulenzen geben wird, ist unter Analysten dennoch umstritten: "Selbst wenn die Zinsen in den USA in naher Zukunft wieder steigen, erwarten wir nicht, dass das die Anleihekurse stark unter Druck bringt", sagt Martin Dropkin, der Anleihe-Chefanalyst von Fidelity Worldwide Investment. Generell findet er die Lage auf dem Bondmarkt nicht übertrieben: "Die Kurse von Unternehmensanleihen sind in der Vergangenheit zwar stark gestiegen, doch in der Breite scheinen sie aus unserer Sicht bislang nicht überbewertet zu sein." Sein Kollege Gregor Taraszow, Analyst beim Anleihemanager Bantleon ist zurückhaltender: "Wir sehen den Hype um High-Yield-Anleihen kritisch. Viele Neuemissionen der vergangenen Monate zeigen bedenkliche Merkmale." Er empfiehlt deshalb High Yields nur noch mit einem begrenzten Zeithorizont von bis zu drei Monaten zur Beimischung.

Mögliche Kursrutsche sind nicht nur ein Problem für Anleger, die mit ihren Anleihen handeln. Auch Anleger, die ihre Bonds bis zur Rückzahlung halten, sollten die Zinsentwicklung im Auge haben. Viele hoch verschuldete Firmen nutzen das über den Kapitalmarkt eingesammelte Geld, um ihre Verbindlichkeiten günstig zu verlängern und so die Schuldentilgung zu schieben. Ohne die Freizügigkeit der Notenbanken wären sie womöglich längst pleite. Ein Hinweis, dass das Problem nur verschoben ist, gibt eine Studie der Ratingagentur Moody’s: Die weltweite Ausfallquote von Bonds fiel im Mai dieses Jahres auf 2,3 Prozent. Der historische Schnitt ist doppelt so hoch. Müssen die Anleihen in ein paar Jahren abgelöst werden, droht bei gestiegenen Zinsen ein böses Erwachen. Der Schuldendienst würde teurer, am Ende stünde womöglich ein Zahlungsausfall.

Dieses Risiko gehen auch die Gläubiger des Spielwarenherstellers Vedes ein. Das Investment ist hochspekulativ, auch wenn das Unternehmen das Geld immerhin für Geschäftszwecke wie den Aufbau von Vorräten und die Integration einer übernommenen Firma nutzt. Die Anleger scheinen Vertrauen gefasst zu haben in das Konzept: Der Kurs der Anleihe ist auf 107 Prozent gestiegen. Neueinsteigern bleibt damit eine Rendite von 5,5 Prozent. Den Nervenkitzel gibt es gratis.

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