In der Nacht feuerten zwei US-Kriegsschiffe im östlichen Mittelmeer nach US-Angaben 59 Marschflugkörper auf einen syrischen Luftwaffenstützpunkt als Reaktion auf den mutmaßlichen Giftgas-Angriff auf die von Rebellen gehaltene Stadt Chan Scheichun.

Trump begründete den Einsatz damit, dass Präsident Baschar al-Assad für den Giftgas-Einsatz am Dienstag mit mindestens 70 Toten verantwortlich sei. Russlands Präsident Wladimir Putin warf den USA umgehend vor, sie hätten unter fadenscheinigem Vorwand ein souveränes Land angegriffen. Deutschland, die Türkei und Israel begrüßten dagegen das US-Vorgehen. Bundeskanzlerin Angela Merkel mahnte aber es müsse eine politische Lösung des Konflikts geben.

US-Außenminister Rex Tillerson versicherte, der Luftangriff sei eine einmalige Aktion. Eine weitere Eskalation sei nicht geplant. Allerdings betonte er vor Journalisten auch: "Dies zeigt klar, dass der Präsident entschlossen ist, entschiedene Maßnahmen zu ergreifen, wenn es nötig sein sollte." Zudem sprach er sich wie auch Merkel für eine Absetzung Assads. Damit vollziehen die USA einen Kurswechsel, bislang stand der Kampf gegen den extremistischen Islamischen Staat (IS) im Zentrum ihrer Syrien-Strategie. Vor einigen Tagen hatte es noch aus Washington geheißen, eine Entmachtung Assads habe nicht mehr oberste Priorität.

Trump selber erklärte, seit Jahren seien alle Versuche "dramatisch misslungen", Assad zu einer Änderung seines Verhaltens zu bringen. "Es war ein langsamer und brutaler Tod für so viele", schilderte der Präsident den Giftgas-Angriff. "Selbst wunderschöne Babys wurden bei dieser barbarischen Attacke grausam ermordet." Assad weist allerdings jede Verantwortung für den Giftgas-Einsatz in Chan Scheichun zurück. Nach Darstellung der syrischen Armee wurde bei dem Luftangriff ein Waffenlager der Rebellen getroffen, in dem der Kampfstoff Sarin aufbewahrt worden sei.

RUSSLAND WILL SYRISCHE LUFTABWEHR AUFRÜSTEN



Das russische Verteidigungsministerium kündigte an, die syrische Luftabwehr solle nun aufgerüstet werden. Für Unruhe sorgte auch der Bericht eines türkischen Bloggers, nachdem eine russische Fregatte mit Lenkwaffen den Bosporus in Richtung Mittelmeer passiert haben soll. Putin berief eine Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates ein. Dabei soll nach offizieller Darstellung darüber beraten worden sein, ob die Präsenz der russischen Luftwaffe in Syrien aufrecht erhalten werden solle. Es wurde aber auch deutlich, dass Russland den Gesprächsfaden zu den USA nicht abreißen lassen will: Kommende Woche wird Tillerson zu seinem Antrittsbesuch in Moskau erwartet. Von dem Amtsantritt von Trump Anfang des Jahres hatte sich die russische Regierung eigentlich eine Verbesserung des Verhältnisses zu den USA versprochen.

Russland will nun den UN-Sicherheitsrat anrufen, um die neue Lage dort zu erörtern. Man verlange eine Erklärung für das Vorgehen der Amerikaner, sagte Außenminister Sergej Lawrow. Das iranische Außenministerium monierte nach einem Bericht der Nachrichtenagentur ISNA, es sei "gefährlich, destruktiv und eine Verletzung internationaler Rechte", den Einsatz chemischer Kampfstoffe als Vorwand für unilaterale Maßnahmen zu nehmen.

OPPOSITIONELLE: LUFTWAFFENSTÜTZPUNKT FAST KOMPLETT ZERSTÖRT



Bei dem schwersten US-Angriff in dem vor sechs Jahren ausgebrochenen Bürgerkrieg wurde der Luftwaffenstützpunkt Schairat nach Angaben der syrischen Beobachtungsgruppe für Menschenrechte fast komplett zerstört. Nach US-Angaben waren Landepisten, Tanklager und Flugzeuge das Ziel der Tomahawk-Marschflugkörper. Ausgenommen gewesen seien russische Sektoren auf dem Gelände. Zudem sei Russland über den Angriff informiert worden, um eigene Soldaten in Sicherheit bringen zu können. Die syrische Nachrichtenagentur Sana berichtete, bei dem Angriff seien neun Zivilisten, darunter vier Kinder, getötet worden.

Schairat war nach US-Darstellung Ausgangspunkt des Angriffs auf Chan Scheichun. Nach Angaben des russischen Militärs trafen nur 23 Marschflugkörper den Militärflughafen, 36 sollen demnach ihr Ziel verfehlt haben. Nach Angaben von Lawrow wurden Russen bei dem Angriff nicht verletzt.

MERKEL FORDERT "POLITISCHE ÜBERGANGSLÖSUNG"



In Berlin sprach Merkel von einem "Chemiewaffenmassaker" und einer nachvollziehbaren Reaktion der Amerikaner. Sie sei sich mit dem französischen Präsidenten Francois Hollande und dem italienischen Ministerpräsidenten Paolo Gentiloni einig gewesen, dass Assad die "alleinige Verantwortung" trage. Sie forderte eine "politischen Übergangslösung" und eine "demokratische Beendigung des Assad-Regimes". Auch China erklärte, die Entwicklungen in Syrien zeigten, dass es dringend eine politische Lösung geben müsse.

Die USA haben bislang mit ihrer Luftwaffe Kämpfe gemäßigter Rebellen gegen den IS und andere islamistische Gruppen unterstützt, Angriffe auf die syrische Armee jedoch vermieden. Die Türkei hilft ebenfalls gemäßigten Rebellengruppen im Norden Syriens, bekämpft im Gegensatz zu den USA aber auch kurdische Gruppierungen. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan begrüßte am Freitag den US-Luftangriff und forderte die Einrichtung von Flugverbotszonen sowie Schutzzonen für die Bevölkerung. Assads Truppen werden von der russischen Luftwaffe unterstützt. Am Boden kämpfen schiitische Milizen unter Leitung des Iran an der Seite von Assads Soldaten. Erst seitdem Russland und der Iran stärker in Syrien eingreifen, hat Assad das Blatt wenden können und zunehmend an Boden gewonnen.

An der Börse sorgte die US-Intervention für Verunsicherung. In Europa wie in Fernost gaben Aktien nach. Gold und Öl wurden hingegen teurer.

rtr