Während Technologieaktien nach Jahren der Dominanz zunehmend unter Bewertungsdruck geraten, deutet vieles auf eine Renaissance der Value-Strategie hin.
Die großen Tech-Namen standen zuletzt unter Druck: Palantir, Oracle, Coinbase – allesamt schwach im Handel, während der gleichgewichtete S&P-500-ETF den breiten Markt zu überflügeln beginnt. Für Charlie Bobrinskoy, Vice Chairman von Ariel Investments, deutet vieles auf eine überfällige Rotation hin: „Small Cap Value, Mid Cap Value, Large Cap Value – all diese Segmente handeln auf historisch tiefen Multiples, teilweise sogar günstiger. Ganz anders als die hoch bewerteten Large-Cap-Techs“, wie Bobrinskoy gegenüber CNBC erklärt.
Seine These ist klar: Historisch waren niedrige Einstiegsmultiples der beste Prädiktor für künftige Renditen. Der Markt sei nun „aufgestellt, damit Value den Markt outperformt“. Bobrinskoy räumt zwar ein, dass er diese Argumentation schon länger vertritt – „aber diesmal sehen wir endlich die ersten Ergebnisse“.
Zinspolitik und Inflationsdynamik als Katalysatoren
Die Debatte über Zinssenkungen durch die Fed bildet den fundamentalen Unterbau für diese Marktbewegung. Tim Urbanowicz, Chefstratege von Innovator ETFs, mahnt zur Vorsicht: Der Markt preise bereits fast sicher ein, dass die US-Notenbank im September mit Senkungen beginnt – trotz einer Kerninflation, die sich hartnäckig zwischen 2,75 und 3,25 Prozent hält. „Historisch hat die Fed in diesem Korridor zu 94 Prozent entweder die Zinsen gehalten oder erhöht. Senkungen waren die Ausnahme“, so Urbanowicz.
Bobrinskoy sieht dennoch Spielraum: Viele Value-Titel sind zinssensitiv – gerade im Immobilien- und Bausektor. „Ein Cut wäre ein wichtiger Trigger. Gleichzeitig sehen wir aber kurzfristig eher wieder steigende Preise, da die ersten Tarifeffekte jetzt an den Verbraucher weitergegeben werden.“ Mittel- bis langfristig bleibe er optimistisch: „KI kann die Produktivität erhöhen und mittelfristig die Inflationsdynamik dämpfen.“
Konsumenten in drei Klassen – Chancen und Risiken im Handel
Urbanowicz blickt auch auf den Konsumsektor, wo er eine klare Dreiteilung sieht. Haushalte mit hohem Einkommen – über 100.000 Dollar jährlich – profitierten von steigenden Zinsen auf Spareinlagen, soliden Investments und stabilen Einkommen. „Das stützt Premium-Retailer wie Home Depot oder Costco.“
Am unteren Ende positioniert sich Walmart stark: In essenziellen Kategorien wie Lebensmitteln gibt es für preissensible Kunden keine günstigere Alternative. „Walmart outperformt den S&P 500 und dürfte das fortsetzen“, sagte Urbanowicz unmittelbar vor Bekanntgabe der neuen Quartalszahlen, die vom Markt allerdings negativ aufgenommen wurden. Kritischer sieht er die Mitte des Markts – etwa Target, wo Konsumenten mit mittleren Einkommen ihre Ausgaben bei Elektronik und Haushaltswaren zurückfahren.
Interessante Value-Titel: Housing und Industriewerte
Bobrinskoy nennt konkrete Favoriten: Housing-nahe Titel wie Resideo – das frühere Thermostatgeschäft von Honeywell – oder Mohawk im Teppichsegment. „Buffett kauft wieder im Housing-Bereich. Die Nachfrage ist da, die Bewertungen sind niedrig. Für Investoren ist das eine Gelegenheit, Substanz zu Discountpreisen zu kaufen.“
Während Big Tech nach Jahren der Dominanz zunehmend unter Bewertungsdruck gerät, deutet vieles auf eine Renaissance der Value-Strategien hin. Die Kombination aus attraktiven Multiples, einer möglichen geldpolitischen Wende und struktureller Nachfrage in zyklischen Segmenten wie Bau und Konsum schafft Chancen, die Investoren lange nicht gesehen haben. Doch das Setup bleibt datenabhängig – vor allem von Powell und der Inflationskurve.
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