Schwerpunktland der Beratungen ist Sachsen - hier wurden laut "Plusminus" bereits rund 2600 Sparkassen-Verträge nachgerechnet. In nahezu allen Fällen wurde ein nachträglicher Zinsanspruch berechnet, der höchste liegt bei 36.000 Euro (Erzgebirgssparkasse). Auch in Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Baden-Württemberg prüfen die Verbraucherzentralen entsprechende Sparverträge aus ganz Deutschland.

Stets geht es um langfristige Sparverträge mit variabler Verzinsung. Gemessen an der sehr langen Laufzeit haben die Banken nach Ansicht der Verbraucherschützer zu niedrige Zinssätze angesetzt. Frühere Vorgaben des Bundesgerichtshofes dazu seien nicht erfüllt. Gesetze und Rechtsprechung erlauben Banken, Zinssätze an das Marktniveau anzupassen. Das erfordert aber Regeln in den Sparverträgen oder in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die so klar sind, dass Kunden die Zinsänderungen überprüfen und kalkulieren können.

"Zahl steigt täglich"


"Die Zahl der Beratungen steigt täglich und die Anzahl der betroffenen Verbraucher ist weitaus höher, da diese Verbraucher stellvertretend für die Gesamtzahl der Kunden der Geldinstitute stehen, die einen ebensolchen Vertrag mit fehlerhaften Zinsberechnungen haben", sagte Florian Köhler von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg gegenüber "Plusminus". Diese Verbraucherzentrale berät auch betroffene Kunden aus Bayern. Hier rechnet man mit einer neuen Welle von Anfragen, da die Sparkasse Nürnberg aktuell rund 21.300 Prämiensparverträge gekündigt hat.

In Baden-Württemberg hätten bei den Berechnungen außerdem neben Produkten der Sparkassen auch Verträge von Volksbanken und Raiffeisenbanken sowie Riester-Angebote einen nachträglichen Zinsanspruch ergeben. Einer Musterfeststellungsklage der Verbraucherzentrale Sachsen gegen die Sparkasse Leipzig haben sich bislang mehr als 600 Kläger angeschlossen. Zuständig dafür ist das Oberlandesgericht Dresden. Nach dessen Auskunft läuft noch bis Ende September die Frist zur Klageerwiderung.

Sparkassen wehren sich


Die Sparkassen Leipzig und Nürnberg teilten "Plusminus" mit, dass sie davon ausgehen, die Zinsanpassungen korrekt durchgeführt zu haben. "Die Verbraucherzentrale Sachsen wählt eine völlig andere Berechnungsmethodik für die Anpassung der variablen Zinsen als die, die weithin üblich und fachlich anerkannt ist. Die erhobenen Vorwürfe sind deshalb rechtlich nicht begründbar und nach unserer Auffassung falsch", so eine Sprecherin der Sparkasse Leipzig.

Die Adressen der Verbraucherzentralen finden Sie über www.vzbv.de/ueber-uns/mitglieder/verbraucherzentralen.

Finanzaufsicht ist aktiv


Mittlerweile interessiert sich offenbar auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) für das Thema. Die Bafin erklärte gegenüber der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", dass ihr das Problem nicht nur aufgrund von Informationen von Verbraucherschützern schon länger bekannt sei, sondern auch aufgrund von Beschwerden von Verbrauchern direkt bei der Finanzaufsicht. Das Problem falscher Zinsanpassungen betrifft laut Bafin zudem variabel verzinste Kredite.

Bereits im Jahr 2016 hatte die Behörde nach eigenen Angaben dazu eine Umfrage bei den beaufsichtigten Banken durchgeführt. Die Marktuntersuchung sollte klären, ob die Institute ihre Schuldner systematisch benachteiligen, indem sie die Kreditzinsen nur verzögert senken. Die Behörde hatte damals 50 Privat- und Genossenschaftsbanken sowie Sparkassen angeschrieben, von denen 13 keine variablen Darlehen an Verbraucher vergeben. Bei sieben Banken stellte die Bafin jedoch Hinweise auf Verstöße gegen die Rechtsprechung fest und ging der Sache nach.