Eine endgültige Entscheidung dürfte trotz vielfacher Kritik von Athleten noch auf sich warten lassen. Allerdings sprach Japans Ministerpräsident Shinzo Abe am Montag erstmals davon, dass eine Verschiebung vielleicht die einzige Option sei. Denn die Gesundheit der Athleten habe Vorrang.

Dies ist der bisher deutlichste Hinweis darauf, dass der bisherige Termin vom 24. Juli bis 9. August wackelt. Abe sagte, er wolle mit dem Präsidenten des IOC, dem Deutschen Thomas Bach, sprechen. Erst am Sonntagabend hatte das IOC nach einer Krisensitzung mitgeteilt, eine Entscheidung innerhalb der nächsten vier Wochen fällen zu wollen. Eine ersatzlose Streichung stehe nicht zur Debatte. Sie würde niemandem nutzen und keine Probleme lösen, betonte Bach. Der Chef des Organisationskomitees für die Spiele in Tokio, Yoshiro Mori, sagte, man könne nicht erwarten, dass Sportler und Zuschauer mitten in der Viruskrise zu den Spielen kämen, selbst wenn man daran festhalte. Andererseits gehe es um viel Geld.

WIRTSCHAFTSFAKTOR OLYMPISCHE SPIELE


Die Olympischen Spiele haben sich zu einem enormen Wirtschaftsfaktor entwickelt. Sponsoren, Fernsehsender wie auch die Tourismusbranche stecken bereits im Vorfeld Milliarden in die größte Sportveranstaltung der Welt, die auch der japanischen Konjunktur auf die Sprünge helfen soll. Doch angesichts inzwischen fast 15.000 Covid-19-Toter und Infizierter rund um den Globus setzen sich immer mehr Athleten für eine Verschiebung ein. Viele sind entsetzt, dass sich die Entscheidung hinzieht und kritisieren Bach dafür, dessen Wiederwahl im kommenden Jahr ansteht. Bach schwäche die olympische Bewegung, sagte der britische Bahnradsportler und Olympiasieger Callum Skinner. Es sei nicht das erste Mal, dass er seine eigenen Motive über die der Athleten stelle.

Der Kommunikationschef des kanadischen Paralympischen Komitees, Martin Richard, begründete die Absage seines Landes an die Spiele im laufenden Jahr: "Die Welt steht vor einer Krise, und dies ist wichtiger als jedes Sportevent." Man habe erwartet, dass der IOC schneller entscheide. Da dies nicht geschehen sei, habe man sich zum Boykott entschieden. Vor allem für viele Athleten mit Behinderung sei die Corona-Ansteckungsgefahr hoch.

Die Olympischen Sommerspiele sind in Friedenszeiten noch nie ausgefallen oder verschoben worden. Zuletzt hatte es während des Zweiten Weltkrieges 1940 und 1944 keine Spiele gegeben. 1940 sollten sie ursprünglich ebenfalls in Tokio stattfinden, wurden später nach Helsinki verlegt, ehe sie wegen des Kriegsausbruchs ganz abgesagt wurden.

"DIE RICHTIGE ENTSCHEIDUNG"


Einflussreiche Verbände wie der US-Leichtathletikverband und das Britische Olympische Komitee dringen auf eine schnellere Entscheidung. Sie verweisen darauf, dass sich viele Athleten wegen des Coronavirus und den damit verbundenen Einschränkungen des öffentlichen Lebens in vielen Ländern nicht auf die Spiele vorbereiten könnten. Viele Wettbewerbe, mit denen sich Sportler auf den Saisonhöhepunkt vorbereiten, sind abgesagt worden. Damit fehlt es ihnen an Wettkampfpraxis. Der deutsche Athletensprecher Max Hartung - wie Bach ein Fechter - hatte bereits am Wochenende angekündigt, die Spiele in Tokio mit Rücksicht auf die Sicherheit anderer Teilnehmer zu boykottieren.

Der Präsident des japanischen Olympischen Komitees, Yasuhiro Yamashita, gab dagegen zu bedenken, eine zu lange Verschiebung könnte für die Athleten bedeuten, dass sie sich noch einmal für die Spiele qualifizieren müssten. US-Präsident Donald Trump twitterte, Abe werde "die richtige Entscheidung" treffen. Das Olympische Komitee Russlands forderte "ausgewogene" Entscheidungen und forderte, inmitten der "Panik" um das Coronavirus Ruhe zu bewahren.

An der Tokioter Börse wurde mit Erleichterung aufgenommen, dass das IOC eine komplette Absage der Spiele ausschließt. Gegen den weltweiten Trend legte der Nikkei zwei Prozent zu.

rtr