Ich habe Ende der 90er-Jahre bei einem großen deutschen Konzern eine Kapitallebensversicherung abgeschlossen. Damals tat der Außendienstmitarbeiter so, als sei die Überschussbeteiligung, die damals über sieben Prozent lag, quasi für die gesamte Laufzeit sicher. Heute ist klar, dass die tatsächliche Rendite wesentlich niedriger liegt. Kann ich die Versicherung deshalb belangen? Ich komme auf die Idee, weil ein Anwalt im Internet geschrieben hat, er sehe "erfolgversprechende Ansatzpunkte", um den Vertrag wegen mangelhafter Beratung auch nach Jahrzehnten zu widerrufen. Es habe dazu sogar im Jahr 2012 ein entsprechendes Urteil des Bundesgerichtshofs gegeben.

€uro am Sonntag:

Was die Aussichten einer Klage betrifft, liegt der Anwalt falsch - zumindest ist das die Ansicht des Bunds der Versicherten.

Wie eine Sprecherin der Verbraucherschutzorganisation betont, geht es in dem Urteil des Bundesgerichtshofs (Az. IV ZR 164/11) ausschließlich um spezielle fondsgebundene Lebensversicherungsverträge namens "Wealthmaster Noble" vom britischen Anbieter Clerical Medical. Die Entscheidung habe zwar grundsätzlichen Charakter, beziehe sich jedoch vor allem auf diese Vertragskonstellation und deren Vermittlungspraxis. "Sie ist nicht ohne Weiteres auf andere Fälle übertragbar", sagt die Sprecherin.

Die Richter entschieden damals: Clerical Medical muss den Kunden grundsätzlich die in den Auszahlungsplänen versprochenen Summen zahlen. Das Unternehmen habe Kunden mit "unrealistischen" Renditeversprechen gelockt und seine Aufklärungs- und Informationspflichten verletzt. Außerdem hatten Kunden den Einmalbeitrag für den Lebensversicherungsvertrag mit einem Kredit finanziert. Daher hielt der Bundesgerichtshof auch Schadenersatzansprüche für möglich.