Finanzminister Christian Lindner und Justizminister Marco Buschmann haben am Mittwoch erste Eckpunkte eines Gesetzespaketes zur Modernisierung des deutschen Kapitalmarkts vorgestellt. Damit will die Bundesregierung auch Aktieninvestments auch für Privatanleger attraktiver werden. Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der Aktionärsvereinigung DSW, äußerte sich dazu gegenüber boerse-online.de.

Boerse-online.de: Wie bewerten Sie generell diese Initiative der Bundesregierung, die im Herbst 2023 in ein "Zukunftsfinanzierungsgesetz" münden soll?

Marc Tüngler: Die Initiative unterstützen wir ausdrücklich und sollte eher heute als morgen umgesetzt werden. In Kombination mit der Aktienrente wird daraus ein Paket, das dem Wohle aller Bürger dient. Wichtig ist, dass insbesondere bei der Erleichterung der Kapitalbeschaffung der Anlegerschutz nicht hinten runterfällt. Frisches Geld werden junge Unternehmen nur bekommen, wenn auf der anderen Seite ausreichend Schutzmechanismen und damit Kontrolle für die Eigentümer gewährleistet sind.

Wie sehen Sie die einzelnen vorgestellten Punkte, also beispielsweise Freibeträge für Gewinne aus Aktien-, Fondsverkäufe im Privatvermögen?

Das ist überfällig. Man kann nur hoffen, dass hier mit ausreichend Mut und Verve agiert wird. Alles unter 5000 Euro pro Jahr wäre eine Enttäuschung. Notwendig ist zudem die Möglichkeit einer Kumulierung ungenutzter Freibeträge.

Und der geplante verbesserte Zugang zu Eigenkapital für kleinere Firmen?

Ein sehr wichtiger Punkt. Die EK-Finanzierung muss hierzulande erleichtert werden, ohne aber zugleich den Anlegerschutz zu verwässern. Das ist die rote Linie, die zugleich über den Erfolg der Initiative entscheiden wird.

Ist die steuerliche Begünstigung von Mitarbeiter-Kapitalbeteiligungen mit einem vorgesehenen Freibetrag von 5000 Euro statt 1440 Euro ausreichend?

Überfällig und mehr als sinnvoll.

Die geplanten Mehrstimmrechtsaktien, die(Familien-)Großaktionären Einfluss auch bei niedrigen Beteiligungen sichern sollen, wirken auf den ersten Blick wie ein Anachronismus. Was halten Sie davon?

Das ist der große Negativpunkt der Initiative. Mit diesem Vorschlag werden die anderen guten Ansätze ad absurdum geführt. Eine Aktie = ein Stimmrecht. Alles andere wird der Initiative im Wege stehen. "Mehr Kapitalmarkt wagen" darf nicht zu einer Minderung der Anlegerrechte führen.

Die Minister wollen sogenannte Spac-Börsengänge erleichtern, also Börsengänge von Mantelfirmen, die ihr Emissionsobjekt erst noch suchen. Sind Lindner und Buschmann da nicht etwas spät dran?

Das Thema ist tatsächlich eher tot und für Privatanleger sowieso ungeeignet. Hier sollten keine positiven Impulse für Retailanleger gesetzt werden.

Aber Digitalisierung von Aktien ist schon ein guter Ansatz, oder?

Guter Ansatz, wenn die Digitalisierung einen Mehrwert bietet. Die anderen Aspekte sind bedeutender.

Und welche Punkte fehlen Ihrer Meinung nach noch?

Das Durcheinander bei der Verlustverrechnung und die Beschränkung auf 20000 Euro müssen aufgehoben werden. Auch bei Dividenden muss der Freibetrag deutlich angehoben werden. Eine Kumulierung ungenutzter Freibeträge würde das langfristige Anlegen noch stärker in den Fokus setzen. Direkte Haftungsansprüche der Anleger gegen Vorstände und Aufsichtsräte zur Erhöhung des Anlegerschutzniveaus.