Wenn Deutschland schon als Musterschüler im Kampf gegen Corona gilt, dann scheint Vietnam das Maß aller Dinge zu sein. Das südostasiatische Land verzeichnet bislang gerade einmal 352 Infektionen unter seinen rund 97 Millionen Einwohnern, bis heute musste man keinen einzigen Toten beklagen. Zum Vergleich: In Deutschland, mit gut 83 Millionen Einwohnern, wurden bis vergangene Woche insgesamt fast 200 000 Infektionen und knapp 9000 Todesfälle im Zusammenhang mit dem Coronavirus verzeichnet.

Dabei ist die Widerstandsfähigkeit Vietnams alles andere als selbstverständlich. Denn mit dem Nachbarn China, dem Ursprungsland der Pandemie, teilt man sich eine mehr als 1100 Kilometer lange Grenze. Bereits Anfang Januar, als Vietnam noch keine einzige Infektion verzeichnet hatte, traf die Regierung Vorkehrungen zur Abwehr der Lungenerkrankung Covid-19. Mit dem ersten offiziellen Krankheitsfall am 23. Januar - ein Mann aus Wuhan, der seinen Sohn in der Hauptstadt Hanoi besuchte - hatte Vietnam bereits in den Krisenmodus geschaltet und sich dabei die Erfahrungen aus der Sars-Krise zu Beginn des Jahrtausends zunutze gemacht. Mit dem Neujahrsfest Tet Ende Januar ordnete die Regierung um Premierminister Nguyen Xuan Phuc unter anderem Schulschließungen, lokale Isolierungen sowie die Einstellung des Flugverkehrs Richtung China an. Mit Erfolg: Bereits im Mai wurde der partielle Shutdown fast vollständig aufgehoben. Dank des vergleichsweise kurzen und nur teilweisen Lockdowns, bei dem das Gros der Fabriken unter erhöhten Sicherheits- und Hygienemaßnahmen weiterhin produzierte, halten sich die Auswirkungen auf die Wirtschaft in Grenzen, auch wenn einzelne Bereiche spürbare Einbußen verzeichnen mussten. Die Pandemie traf etwa die Tourismusbranche hart, die in den ersten vier Monaten 2020 gegenüber dem Vorjahreszeitraum rund 40 Prozent weniger Besucher zählte. Doch auch die Industrie spürte die geringere Nachfrage aus dem Ausland.

Nach einem BIP-Plus von 3,8 Prozent in den ersten drei Monaten dieses Jahres dürfte das zweite Quartal ein Nullwachstum bringen. Für das Gesamtjahr rechnet JP Morgan aber mit einem Wirtschaftswachstum von 3,2 Prozent, das sich im kommenden Jahr auf 7,1 Prozent deutlich beschleunigen soll. Der Internationale Währungsfonds geht indes von 7,0 Prozent für 2021 aus.

Blendender Ausblick

Insbesondere die mittel- bis langfristigen Aussichten für die vietnamesische Wirtschaft bleiben vor allem dank hoher ausländischer Direktinvestitionen ausgezeichnet. Seit der südkoreanische Elektronikriese Samsung Electronics 2014 seine erste Smartphone-Produktion in Vietnam eröffnete, verzeichnet das Land einen stetig hohen Zufluss ausländischer Investitionen. Der Handelskrieg zwischen den USA und China hat diese Entwicklung im vergangenen Jahr noch einmal verstärkt. Gerade multinational aufgestellte Techkonzerne wie Apple haben ihre Pläne für Produktionsverlagerungen und -erweiterungen nach Vietnam intensiviert. Einen weiteren Schub dürfte die Wirtschaft von dem Freihandelsabkommen EVFTA mit der Europäischen Union bekommen, dem zweitwichtigsten Absatzmarkt Vietnams nach den USA. Nach achtjähriger Verhandlungszeit soll das Abkommen am 1. August in Kraft treten und in den kommenden Jahren schrittweise praktisch sämtliche Zölle aufheben. Nach Südkorea ist Vietnam erst der zweite asiatische Tigerstaat, der eine solche Vereinbarung mit der EU aushandeln konnte.

Von den panikartigen Verkäufen im März hat sich die vietnamesische Börse inzwischen weitestgehend erholt. Leider ist es ausländischen Privatanlegern aufgrund fehlender Notierungen an westlichen Börsen meist unmöglich, in einzelne Vietnam-Aktien zu investieren. Mit der in New York notierten Sea Ltd. hat BÖRSE ONLINE Anfang 2019 ein Unternehmen auf die Empfehlungsliste gesetzt, das mit den beiden Geschäftsfeldern E-Commerce und Mobile Gaming auf gleich zwei Megatrends setzt und mit Shopee eine der populärsten Internet-Handelsplattformen Vietnams betreibt. Seit der Vorstellung zu 19 Euro ist der Aktienkurs bereits um mehr als 400 Prozent auf ein neues Allzeithoch über 100 Euro gestiegen, was eine Absicherung der Position per Stop Loss zwingend macht.

Eine Alternative, um auf Vietnams Börse zu setzen, ist der Xtrackers FTSE Vietnam Swap UCITS ETF auf den FTSE-Vietnam-Index, dem ein Aktienkorb von rund 20 der größten Börsengesellschaften des Landes zugrunde liegt. Unser Favorit ist der Vinacapital Vietnam Opportunity Fund der sich neben börsennotierten Titeln auch aus Privatisierungen, vorbörslichen Beteiligungen sowie Privatplatzierungen zusammensetzt. Sven Heckle