Nur kurz währte die DAX-Mitgliedschaft von Vitesco. Nach einem Tag war sie am vorvergangenen Donnerstag direkt nach Börsenschluss wieder vorbei und dürfte sich für Continentals ausgegliederte Antriebssparte auch nicht so schnell wiederholen. Laut Unternehmenschef Andreas Wolf soll Vitesco jedoch Teil der DAX-Familie werden und "perspektivisch in den MDAX aufsteigen".

Der Börsenstart aber ist gelungen - wenn auch erst im dritten Anlauf. Ursprünglich sollte Vitesco 2019 über ein klassisches IPO, also das direkte Anbieten der Aktien, an die Börse kommen. Dies scheiterte am schwachen Börsenumfeld und einer zu geringen Nachfrage. 2020 wurde der zweite Versuch wegen der Pandemie verschoben.

Vergangene Woche erfolge der Börsengang nun mit knapp zwei Jahren Verspätung. Die Ausgliederung fand nicht wie ursprünglich geplant über ein klassisches IPO statt, sondern im sogenannten Spin-off-Verfahren. Dabei gliedert ein Unternehmen einen Teilbereich seines Geschäfts aus. Dieses handelt danach als eigenständiges Unternehmen. Als Ausgleich erhalten Altaktionäre Anteile des neu an der Börse gelisteten Werts. Continental-Aktionäre erhielten für fünf ihrer Anteile je eine Vitesco-Aktie. Der erste Kurs lag bei 59,80 Euro. Dies entspricht einem Börsenwert von 2,4 Milliarden Euro. Gleichzeitig verlor Continental etwa 3,6 Milliarden Euro an Marktkapitalisierung. Insgesamt hat sich die Abspaltung für Anleger also noch nicht gelohnt.

Verkaufsdruck durch ETFs

Das durchwachsene Börsendebüt lässt sich indes erklären. Börsengehandelte Indexfonds (ETFs) etwa, die den DAX nachbilden, müssen die Aktie verkaufen. Der so ausgelöste Verkaufsdruck sollte aber nachlassen. Vorstandschef Wolf will Anlegern künftig auch fundamentale Gründe zum Kaufen liefern. Noch stammen etwa 90 Prozent der Erlöse aus dem Geschäft mit Antriebsteilen für Benzin- und Dieselfahrzeuge. In Zukunft will Vitesco vermehrt auf die Elektromobilität setzen. Wolf erwartet, dass das Geschäft mit der E-Mobilität erstmals im Jahr 2024 profitabel sein wird. Bis dahin sind Investitionen und Zukäufe notwendig, um mit Konkurrenten wie Bosch beim Wachstumsthema mithalten zu können. Finanzchef Werner Volz kündigte bereits Investitionen im hohen dreistelligen Millionenbereich an.

Im ersten Halbjahr fiel die Bilanz des Unternehmen noch durchwachsen aus. Der Umsatz konnte zwar im Vergleich zum Vorjahr um etwa 30 Prozent auf 4,4 Milliarden Euro gesteigert werden. Der Gewinn lag jedoch nur bei 40 Millionen Euro, die Gewinnmarge bei lediglich 0,9 Prozent. Das liegt auch daran, dass Vitesco mit der vollständigen Abspaltung auch auf der Risikoseite selbstständig ist - ein Großteil der Rechtsrisiken rund um den Dieselskandal liegt nun bei Vitesco. Das Unternehmen musste nach Aussage des Vorstands bereits einen Betrag im "niedrigen zweistelligen Millionenbereich" für Rechtsberatung und Anwaltskosten aufwenden.

Vorherige Abspaltungen, wie die von Siemens Energy im Herbst 2020, zeigten, dass in vermeintlichen Problemsparten einiges an Kurspotenzial schlummern kann. Gelingt dem Management von Vitesco der Wandel hin zur Elektromobilität, dürfte dies für Kursfantasie sorgen. Noch aber gibt es viele Fragezeichen: So ist etwa nicht bekannt, wo sich Chef Wolf verstärken will, auch Analysten halten sich mit Schätzungen zurück.

Vorsicht: Die Datenlage ist sehr dünn, Schätzungen sind Mangelware. Wir raten Anlegern, bei der Aktie erst einmal abzuwarten.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 68,00 Euro
Stoppkurs: 55,00 Euro