Der Volkswagen-Konzern hat im ersten Halbjahr trotz der Lieferprobleme bei Mikrochips und Corona-Einschränkungen in China einen Gewinnsprung hinlegen können. Das Ergebnis nach Steuern stieg im Vergleich zu 2021 um etwas mehr als ein Viertel auf 10,6 Milliarden Euro. Den Gesamtausblick für das Jahr behält der Konzern bei, wird aber in den Teilbereichen Pkw und Finanzdienstleistungen etwas zuversichtlicher.

Rohstoff-Absicherung belastet Ergebnis


Das um Sonderkosten für die Diesel-Affäre bereinigte operative Ergebnis fiel im zweiten Quartal um 28 Prozent auf 4,74 Milliarden Euro. Dabei wogen spezielle Bewertungseffekte vor allem für die Rohstoff-Absicherung schwer - solche Geschäfte gehen Unternehmen ein, um weitere Preisausschläge oder Mengeneinbrüche bei wichtigen Ressourcen abzufedern. Sie schlugen bei VW allein von April bis Juni mit 2,4 Milliarden Euro zu Buche, nachdem sie das operative Ergebnis im ersten Quartal noch deutlich aufgehübscht hatten.

VW-Finanzvorstand Arno Antlitz geht für die zweite Jahreshälfte von einer Entspannung der Lieferketten-Probleme aus. In China habe schon gegen Ende des zweiten Quartals eine "spürbare Erholung" eingesetzt.

Optimistischer Ausblick


Den Ausblick bestätigte Volkswagen knapp eine Woche nach der Entscheidung, Konzernchef Herbert Diess durch Porsche-Boss Oliver Blume abzulösen. Die bereinigte operative Marge soll nun eher am oberen Ende der Spanne von 7 bis 8,5 Prozent liegen. Im zweiten Quartal erzielte Volkswagen eine Ebit-Marge von 6,8 (Vorjahr 9,7) Prozent. Der Konzern wird vor allem im Pkw-Bereich zuversichtlicher. Für die Marke VW geht man nun von einer bereinigten Ebit-Marge von vier bis fünf Prozent aus. Bislang war von bis vier Prozent die Rede. Bei den Nutzfahrzeugen hingegen dampfte das Management die Erwartungen an die Marge ein.

"Allerdings lassen sich die konkreten Auswirkungen der Entwicklungen des Kriegs in der Ukraine oder der Covid-19-Pandemie (...) im Geschäftsjahr 2022 weiterhin noch nicht abschließend beurteilen", schränkte Volkswagen in seinem Ausblick ein. Zum Jahresbeginn hatten vor allem die besonders profitablen Oberklasse-Marken den Konzern durch die angeschlagene globale Autokonjunktur getragen.

Rückläufige Auslieferungen


Zwischen Anfang Januar und Ende Juni konnte der Konzernumsatz leicht um zwei Prozent auf 132,3 Milliarden Euro klettern. Dabei spielte jedoch auch das erstmalige Einbeziehen des US-Lkw-Bauers Navistar, den VW 2021 übernommen hatte, eine Rolle. Über alle Marken und Regionen gesehen nahmen die Auslieferungen der Gruppe deutlich ab, um mehr als 22 Prozent auf etwa 3,88 Millionen Fahrzeuge. Die Produktion ging nicht im gleichen Ausmaß zurück - ein Teil der Autos staut sich wegen der Schwierigkeiten im Teileeinkauf und Absatz also weiter in den Werken.

Die Gewinne will der Konzern in den Umbau zu mehr E-Mobilität, eigener Software und Dienstleistungen stecken. Weitere elektrische Modelle sollen folgen, und nach dem Baustart der Batteriezellfabrik in Salzgitter Anfang Juli treibt VW die Planungen für die nächsten Zellwerke voran. Der Rückkauf von Europcar soll außerdem genutzt werden, um das Netzwerk der Mobilitätsdienste von Shuttle-Services über Carsharing bis hin zu Abo- und Mietangeboten auszubauen.

Werk in Russland soll verkauft werden


Volkswagen will zudem sein Werk in der russischen Stadt Kaluga verkaufen. Möglicherweise könne das Unternehmen Asia Auto aus Kasachstan Käufer werden, berichtete die russischen Zeitung "Wedemosti" unter Berufung auf eine mit den Plänen des deutschen Autobauers vertraute Person. Laut einem VW-Sprecher sei eine Entscheidung jedoch noch nicht gefallen.

Zum geplanten Börsengang der Sportwagen-Tochter Porsche äußerte sich Volkswagen zunächst nicht. Einige Experten sehen das Vorhaben wegen der geplanten Doppelrolle von Oliver Blume als Porsche-Lenker und Chef des Volkswagen-Konzerns kritisch. Blume soll sich mit Porsche-Finanzchef Lutz Meschke um den bis Jahresende geplanten Börsengang der Tochter kümmern.

Ein Teil der Aktien der Porsche AG soll bald am Finanzmarkt frei gehandelt werden können. So will Volkswagen seinen Wert insgesamt erhöhen, was eines der wichtigsten Projekte im Konzern ist.

Einschätzungen zur VW-Aktie

Die Vorzugsaktie von Volkswagen steigt am Vormittag im Xetra-Handel zeitweise um vier Prozent auf 136,12 Euro, rutscht dann jedoch wieder etwas zurück. Das Papier war mit den sich verdüsternden wirtschaftlichen Aussichten rund um den Ukraine-Krieg im März mit dem Markt deutlich gefallen. Von um die 180 Euro zuvor ging es bis auf 120 Euro im Juli bergab. Davon hat sich der Kurs bis heute nur leicht erholen können.

Analyst Philippe Houchois von der US-Investmentbank Jefferies sprach von soliden Zahlen. Porsche habe mit gut 20 Prozent Marge beeindruckt. George Galliers von Goldman Sachs verwies auf eine starke Entwicklung der Kernmarke VW Pkw, die in der Folge auch ihre Renditeziele für das Gesamtjahr anhob. Audi habe hingegen etwas enttäuscht, so Galliers.

BÖRSE ONLINE rät weiterhin zum Kauf der VW-Aktie. Das längerfristige Kursziel liegt bei 250 Euro und bietet somit fast die Chance einer Verdopplung. Doch Anleger sollten auch einen Stoppkurs bei 115 Euro setzen und somit das Risiko nach unten begrenzen. mmr mit dpa und rtr

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Der Chefredakteur, Herr Frank Pöpsel, ist unmittelbar und mittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate eingegangen, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren können: Volkswagen.