"Wir werden unsere Größe nutzen, um unserer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden", sagte Vonovia-Chef Rolf Buch am Dienstag. Mit vereinten Kräften wollen die beiden größten privaten Wohnungskonzerne Deutschlands mehr Geld für Sanierungsmaßnahmen und Neubauten lockermachen. Vonovia und Deutsche Wohnen gehören zusammen mehr als eine halbe Million Wohnungen. Dem Land Berlin will der fusionierte Konzern 20.000 seiner rund 150.000 Einheiten in der Hauptstadt für gut zwei Milliarden Euro zum Kauf anbieten, wie der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) sagte. Mieterhöhungen sollen in den nächsten fünf Jahren gedeckelt werden. "Wir befrieden diese Stadt", sagte Deutsche-Wohnen-Chef Michael Zahn.

Vonovia bietet den Deutsche-Wohnen-Aktionären, der Nummer zwei auf dem deutschen Wohnungsmarkt, mehr als 18 Milliarden Euro. Einschließlich Schulden wird Deutsche Wohnen dabei mit 29 Milliarden Euro bewertet - die Übernahme ist damit die größte in der europäischen Immobilienbranche überhaupt. Zusammen kommen die beiden einzigen Immobilienkonzerne im Leitindex Dax auf mehr als 550.000 Wohnungen im Wert von mehr als 80 Milliarden Euro und einen Börsenwert von 48 Milliarden Euro.

Im ersten Anlauf vor fünf Jahren war Vonovia-Chef Buch noch abgeblitzt, Deutsche-Wohnen-Chef Zahn hatte sich damals vehement gegen den Verkauf gestemmt. Noch im Frühjahr 2020 verlief ein neuerlicher Vorstoß im Sande. Nun stellt Zahn sich hinter die geplante Übernahme: "Beide Unternehmen haben sich deutlich strategisch aufeinander zubewegt", sagte Zahn, der nach der Übernahme Buchs Stellvertreter werden soll. "Die Kultur ist nicht feindlich, sondern partnerschaftlich." Er sei sehr sicher, dass wie gefordert mehr als 50 Prozent der Aktionäre ihre Papiere an Vonovia verkauften. Viele große Investoren seien an beiden Unternehmen beteiligt.

Der US-Vermögensverwalter Blackrock (jeweils rund zehn Prozent) und der norwegische Staatsfonds gehören zu den größten Anteilseignern von Vonovia und Deutsche Wohnen. Die Deutsche-Wohnen-Aktie stieg am Dienstag um 15,6 Prozent auf 52 Euro - genau den Preis, den Vonovia bieten will. Vorher sollen die Deutsche-Wohnen-Aktionäre noch die Dividende von 1,03 Euro für 2020 bekommen. Die Vonovia-Aktie gab 4,3 Prozent nach. Bis August soll die Transaktion unter Dach und Fach sein. Vonovia plant eine acht Milliarden Euro schwere Kapitalerhöhung, um die Übernahme teilweise zu refinanzieren.

MIETSTEIGERUNGEN BREMSEN


Vor allem in Berlin bekamen die privaten Wohnungskonzerne in den vergangenen Jahren politischen Gegenwind. Buch will den Senat, der gegen steigende Mieten kämpft, mit Zugeständnissen für die Fusion einnehmen. "Berlin hat eine Entwicklung gehabt, in der die Mieten in den letzten Jahren in einer Geschwindigkeit gewachsen sind, die die Menschen überfordert", räumte Buch ein. In den nächsten drei Jahren sollen die Mieten in Berlin maximal um ein Prozent pro Jahr steigen, in den beiden folgenden Jahren nicht stärker als die Inflationsrate. Zudem sollen die Kosten für die Sanierung des Wohnungsbestandes zum Energiesparen nicht voll auf die Mieter umgelegt werden. Buch will in Berlin 13.000 neue Wohnungen bauen.

Die Unternehmen und der Senat verfolgten das Ziel stabiler Mieten, sagte Regierungschef Müller. Mit den 20.000 Wohnungen von Vonovia und Deutsche Wohnen komme Berlin seinem Ziel näher, rund 400.000 Einheiten in kommunalem Eigentum und damit mehr Gewicht bei der Ermittlung des Mietspiegels zu haben. Der Kauf - voraussichtlich durch eine der kommunalen Wohnungsgesellschaften - wird aber nicht billig. Finanzsenator Matthias Kollatz geht von mehr als 2,1 Milliarden Euro aus.

Die rot-rot-grüne Koalition in Berlin hatte versucht, die Preissteigerungen auf dem überhitzten Wohnungsmarkt mit einem Mietendeckel zu bremsen. Dieser war aber vom Bundesverfassungsgericht kassiert worden. Das habe die Einigung mit Deutsche Wohnen erleichtert, sagte Buch. Die Vermieter waren gegen die Miet-Obergrenze Sturm gelaufen. Für ein Volksbegehren mit dem Titel "Deutsche Wohnen & Co enteignen" sind in Berlin unterdessen mehr als 130.000 Unterschriften gesammelt worden. Vor der Bundestagswahl im September dürfte das Mieten in der öffentlichen Debatte hochkochen - auch deshalb soll die Fusion noch vor der Wahl stehen.

Kartellrechtliche Bedenken hat Vonovia wohl nicht zu befürchten, da der größte Teil der Mietwohnungen in Deutschland dem Staat, Kommunen oder privaten Vermietern gehört. Selbst in Berlin seien mehr als doppelt so viele Wohnungen in kommunaler Hand wie Vonovia und Deutsche Wohnen zusammen hätten, rechnete Buch vor. Der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, sieht dies anders: "Eine Fusion der beiden größten privaten Immobilienkonzerne Deutschlands ist problematisch, da es dadurch weniger Wettbewerb geben dürfte und die Marktmacht des neuen Konzerns noch stärker wird", sagte er Reuters. Beim Kartellamt sind die Pläne noch nicht angemeldet. Der Mieterbund warnte vor Belastungen der Mieter durch die Fusion.

rtr