Den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft zufolge braucht es keine Testpflicht. In 80 bis 90 Prozent der Firmen seien Angebote bereits vorhanden oder stünden unmittelbar bevor, teilte der Arbeitgeberverband BDA mit. Die Regierung hatte zuletzt eine Schwelle von mindestens 90 Prozent genannt, um nicht zu einer Verordnung zu greifen.

Die Spitzenverbände hatten ihre Mitglieder vor knapp einem Monat aufgerufen, auf freiwilliger Basis Angebote zu machen, um in der dritten Welle der Coronavirus-Pandemie eine höhere Sicherheit in Büros zu gewährleisten. Die Umsetzung erfolge nun ohne Bürokratie und gesetzliche Regulierung, am schnellsten bei großen Konzernen, so der BDA. "Natürlich gibt es auch Herausforderungen. Dazu zählen Lieferschwierigkeiten und Beschaffungsprobleme, aufwendige Organisation der Tests in Betrieben sowie eine zögerliche Annahme des Testangebots bei Beschäftigten und zusätzlich rechtliche Unsicherheiten."

Die Regierung will auf Basis von Befragungen von Betrieben und Beschäftigten zu einem Schluss kommen. "Mein Eindruck ist, dass da noch mehr Engagement möglich wäre von den Unternehmen", sagte Vize-Kanzler Olaf Scholz (SPD) mit Blick auf Testmöglichkeiten und mehr Homeoffice. Wenn es keine "vollständige Umsetzung" gebe, werde die Regierung rechtliche Möglichkeiten ergreifen. Dagegen verwahren sich die Spitzenverbände: "Per Verordnung oder Testpflicht lassen sich diese Herausforderungen nicht beseitigen, sondern erschweren im Gegenteil eine rasche Besserung." Eine Pflicht dürfte umgehend Anfechtungen vor Gericht nach sich ziehen.

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte der Wirtschaft zuletzt mit Auflagen gedroht, sollten sie ihre Mitarbeiter, die nicht im Homeoffice sind, nicht zwei Mal pro Woche testen. Das Bundeskabinett soll kommende Woche über eine Testpflicht entscheiden. Am Donnerstag berät Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) aber bereits mit den Branchenverbänden, die immer wieder Lockerungen der Corona-Einschränkungen fordern, über die aktuelle Lage in der Pandemie.

Zu ganz anderen Zahlen kommt die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung. In der zweiten März-Hälfte hätten lediglich 23 Prozent der Befragten berichtet, dass alle Präsenzbeschäftigten in ihrem Unternehmen mindestens einmal pro Woche einen Schnelltest machen könnten. Für 54 Prozent gebe es hingegen weder betriebliche Schnelltests noch seien diese angekündigt. Die Umfrage sei zwar nicht repräsentativ, basiere aber auf einer Auswertung von über 2800 Datensätzen. "Die enttäuschend geringe Umsetzungsquote zeigt, dass eine verbindliche Regulierung notwendig ist, die eine konsequente und rasche Einführung von betrieblichen Schnelltests garantiert", sagte Stiftungsexpertin Elke Ahlers. "Nur so können die Gesundheit der Beschäftigten und lückenlose betriebliche Abläufe sichergestellt werden." Sachsen und Berlin hätten für Betriebe mit Präsenzbeschäftigten ein Testangebot bereits zur Pflicht gemacht.

rtr